Die 7.000 Wikipedia-Edits der russischen Regierung

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Beim Thema Wikipedia ist die russische Regierung wahrlich wie fleißige Bienchen. In den letzten zehn Jahren haben IP-Adressen, die der russischen Regierungen und ihren untergeordneten Ministerien und Behörden zugeordnet werden können, mehr als 7.000 Edits in der russischsprachigen Version der Online-Enzyklopädie getätigt. 

Der norwegischer Programmierer Jari Bakken [hier sein englischsprachiges Twitterprofil] veröffentlichte vor Kurzem auf Englisch und Russisch eine vollständige Liste aller 6.909 anonymen Edits der russischen Regierung in der Wikipedia. Doch das ist nur eine der Listen, die Bakken veröffentlichte. Neben dieser macht er auch die Bearbeitungen der Regierungen der USA, Israels, Kanadas, Australiens und Norwegen öffentlich und – abseits der staatlichen Institutionen – auch die der großen Ölfirmen. 

Bei der Analyse der Bearbeitungen der russischen Regierungen ist es nicht leicht zu sagen, ob die jeweiligen Verantwortlichen unabhängig voneinander oder in einer konzertierten Aktion tätig waren. Wahrscheinlich von beiden ein bisschen.

In der List von Bakken sind besonders die Edits in den Artikel zu russischen Politikern und Politikerinnen offensichtlich, sei es durch das Hinzufügen von Informationen oder das Entfernen von Kritik. So haben beispielsweise IP-Adressen des russischen Gemeidienstes FSO 36 Mal den Artikel des russischen Politikers und Föderationsrats-Abgeordneten Andrei Klischas, dem die amerikanische Regierung aufgrund seine Rolle in der Krim-Annexion ein Reiseverbot in die USA und in die EU verhängte, das hier auf der Webseite des Weißen Hauses im Original nachzulesen ist. Auch bearbeiteten IP-Adressen des FSO den Artikel des stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitri Rogosin [englischsprachige Wikipediaseite]. Doch es gibt noch viel mehr Edits, beispielsweise den Artikel des Dramaturgen Alexander Pudin (25 Bearbeitungen), des Philosophen Viktor Vaziulin (30 Bearbeiten), des russischen „Kinderrechtlers“ Russia’s“ Pavel Astachow (35 Bearbeitungen), Astachows Nachfolger Alexei Golovan (4 Bearbeitungen), des Politikers Wjatscheslaw Tetjekin (36 Bearbeitungen) und viele, viele andere.

Doch nur weil Edits von den Computer des Kremls und seinen Behörden zu finden sind, wäre es vorschnell zu behaupten, das sei die groß angelegte Aktion das Internet „reinzuwaschen“. Nur als Beispiel sei dieser russischsprachige Edit genannt, in dem ein anonymer Benutzer eines Computer eine staatlichen Chemienfrabik in Kurs den Artikel des Videospiels „Call of Duty: Modern Warfare 3“ bearbeite: Nicht etwa um den Plot des Spieles zu kritisieren oder zu bearbeiten (indem es um einen russischen Militärangriff auf New York geht), sondern um ein kleines Details in der Zusammenfassung zu korrigieren. Der Autor war vermutlich einfach ein Fan des Videospiels. 

Auch eher unerwartete Bearbeitungen sind zufinden. Während der Proteste in Moskau im Dezember 2011 bearbeite ein anonymer Benutzer von Computer des staatlichen Fernsehens den russischsprachigen Artikel über die Anti-Putin-Petition und korrigierte die Zahl der Unterzeichnenden um 2.000 nach oben. Es ist davon auszugehen, dass das kein von oben angeordneter Edit war. 

Aber letztendlich gibt es auch Edits, die kritikwürdig sind. Edits, bei denen offensichtlich wird, dass die Bearbeitenden vor allem den Ruf der eigenen Regierungen und den der Vereinigten Staaten beschädigen wollen. Hier ein paar Beispiele für russischsprachige Einträge:

  1. Kritik an der Ernennung Michael McFaul als US-Botschafter in Russland.
  2. Veränderung des Unterabschnittes zum historischen Hintergrund der Geiselnahme in der Schule von Beslan. Nach der Bearbeitung hätten die Ossetier bereits im 18. Jahrhundert den russischen Einfluss begrüßt.
  3. Hinzufügen eines Satzes über die „vernichtende Niederlage“ der USA im Vietnam-Krieg.
  4. Kritik an den „nicht-wissenschaftlichen” Behauptungen Greenpeace’ zu genmanipulierten Nahrungsmitteln.
  5. Entfernung der Behauptung, dass Andrei Klishas seine Disseration plagiert habe.

Und selbst diese so offensichtlich, pro-russischen, antiwestliche Veränderungen sind kein Beweis dafür, dass der Kreml versucht die große Online-Enzyklopädie zu kontrollieren.Der Verfasser des Angriffs auf Michael McFaul löschte fast augenblicklich seine Überarbeitung. Es ist völlig plausibel davon auszugehen, dass diese Überarbeitungen das Werk von Staatsbeamten ist, die auf eigene Faust aktiv werden und allein aus ihrem Interesse heraus handeln “die Dinge richtigzustellen”.

Doch welche Intention letztendlich hinter den Bearbeitungen stecken, werden wir wohl letztendlich nie wissen.

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