Russland: Keine Einigung der Opposition in St. Petersburg

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers Wahlen in Russland 2011.

Die Proteste nach der Wahl setzen sich im Dezember 2011 aus zwei Elementen zusammen: ‘professionelle Oppositionelle’ und beunruhigte Bürger. In Moskau haben diese beiden Elemente es geschafft, gemeinsam eine der größten friedlichen Demonstrationen in der Geschichte des Landes abzuhalten. Beim Treffen in St. Petersburg enttäuschte jedoch eine der beiden Gruppen. Die Bürger reagierten mit Verwirrung und Geringschätzung.

Welche Veränderungen bringen Proteste?

Was hat sich seit dem 5. Dezember 2011 verändert, als die ersten Proteste nach der Wahl stattfanden? Bringt es irgendwas, sich bei den Protestdemonstrationen zu beteiligen, die von der Opposition organisiert werden? Das sind die Fragen, die die Leute sich stellten, als der Tag einer weiteren gesamtrussischen Versammlung – am 24. Dezember – näher kam (eine detaillierte Karte aller Versammlungen in Russland und ausländischen Städten ist hier [ru] verfügbar).

Verschiedene Organisationen gaben in ihrer Vkontakte Gruppe [ru] die folgende Antwort:

In seiner Ansprache [ru] an die Föderationsversammlung hat Medvedev eine “komplexe Reform” des politischen Systems eingebracht (im Vergleich mit der Ansprache des letzten Jahres, in der er politischen Themen nur drei Minuten widmete). Der Vorschlag beinhaltet kontrollierte regionale Gouverneurswahlen, vereinfachte Registrierung der politischen Parteien, Einzelmandats-Wahlbezirke…

"Keine Stimme. Keine Wahl." Foto von der St. Petersburg Versammlung. Foto von Maria Lelyuk

"Keine Stimme. Keine Wahl." Foto von der St. Petersburg Versammlung. Foto von Maria Lelyuk

Eine weitere Errungenschaft der früheren Proteste ist, dass der Menschenrechtsrat des Präsidenten die Abberufung von Vladimir Churov, dem Leiter des Zentralen Wahlkommitees, gefordert hat.

Niemand kann sagen, ob und welche dieser Initiativen umgesetzt werden, doch wir können nicht die offensichtliche Tatsache leugnen, dass es eine Reaktion der Machthaber gab. Es scheint, dass die Obrigkeit erwartet hat, dass die Versammlungen und Proteste nach der Wahl auf natürliche Weise im Laufe der Zeit und bei nachlassender Spannung zu einem Ende kommen würden.

Manche behaupten, dass die Ansprache des Präsidenten nicht mehr ist als Almosen für die Bürger. Deshalb gibt es Stimmen, die jeden dazu aufrufen, auch weiterhin auf die Straße zu gehen, bis das Ziel – faire Wiederwahlen – erreicht ist. Der User @WakeUpR (der offizielle Account des Verbandsausschusses der Versammlung vom 24. Dezember in Moskau) twitterte [ru] :

Нам Медведев столько всего наобещал сегодня. Теперь ведь мы никуда не пойдем? Правда? Посидим тихонечко, подождем, пока выполнит.

Medvedev hat uns heute so viele Versprechen gemacht. Also werden wir jetzt nirgendwo hin gehen? Wirklich? Lasst uns einfach ruhig rumsitzen und warten, bis er sie erfüllt.

Protest in St. Petersburg: durch Politiker gespalten

Die Opposition in St. Petersburg hat sich gespalten, was zu zwei getrennten Versammlungen statt einer einzigen geführt hat, die in einem Abstand von nur einer Stunde statt fanden (eine auf dem Pionerskaya-Platz, und die andere auf dem Sacharow-Platz). Den offiziellen Erklärungen zufolge stimmte [ru] die Mehrheit der Organisationen, darunter Parteien und Bewegungen, während eines Abstimmungstreffens am 22. Dezember dagegen, Nationalisten bei dem bevorstehenden Treffen teilnehmen zu lassen, bedingt durch deren Provokationen während der zwei vorangehenden Treffen (am 10. und 18. Dezember). In Moskau war die Gefahr der Spaltung der Demonstration ebenfalls recht hoch, obwohl die Demonstranten sich einigen konnten.

Eine weitere Erklärung für den Bruch ist, dass die Opposition sich über Macht stritt, die niemand tatsächlich besaß (illegal aufgenommene Gespräche von Boris Nemtsov spiegeln die Art der Beziehungen [en] zwischen den Oppositionspolitikern wieder). Aufgrund fehlendem gegenseitigen Vertrauen gelang es der Demonstration nicht, viele Menschen anzuziehen. Die Mehrheit der Demonstranten gehört zu keiner Partei, findet es jedoch nötig, ihr verfassungsmäßiges Wahlrecht zu verteidigen.

Die Versammlung am Pionerskaya-Platz begann wie geplant um 13 Uhr. Die Leute wurden mit der ersten verwirrenden Überraschung des Tages konfrontiert – die Bühne war mit den Logo einer einzigen Partei dekoriert – Ein Gerechtes Russland – obwohl die Demonstration von vielen Aktivistengruppen organisiert worden war. Noch dazu wurde ihre Hymne vor und nach der Versammlung abgespielt, sodass die ganze Demonstration wirkte, als sei es ihr eigenes Werk gewesen.

Die Bühne mit dem Logo von

Eine solche Monopolisierung von Demonstrationssymbolen (vorteilhaft für “Ein Gerechtes Russland”, vor allem für Sergey Mironov, der im März 2012 als Präsidentschaftskandidat antreten wird) hat bei den Teilnehmern Ablehnung und Zurückweisung hervorgerufen. @dark_vovich schrieb [ru]:

Piter [St. Petersburg] hat beim ganzen Meeting heute gekniffen…

Und fügte hinzu [ru]:

Ein Gerechtes Russland ist beinahe so wie Einiges Russland. Sie haben die Versammlung in Piter besetzt. Schande!

@Andrey_Seryakov twitterte [ru] über die Folgen solcher Aktionen:

Справедливая Россия сегодня, похоже, окончательно отбила желание у Петербуржцев ходить на митинги.

Es scheint so, als hätte Ein Gerechtes Russland die Petersburger schließlich davon abgeschreckt auf Versammlungen zu gehen.

Dieses Treffen versammelte zwischen 2.500 und 5.000 Teilnehmern, bedeutend weniger als in Moskau. Die Demonstranten waren allerdings nicht entmutigt. Moderatoren der Vkontakte-Gruppe “Sankt-Petersburg für faire Wahlen” wandten sich an [ru] Politiker von “Ein Gerechtes Russland”, die eine Bürgerinitiative in Gefahr gebracht hatten:

Мы выходим на улицы не потому что мы идем за вами, а потому что мы сознательные граждане, которые хотят, чтобы законы их страны соблюдались и чтобы выборы были честными. ЭТО НЕ ВЫ ВЫВОДИТЕ НАС НА УЛИЦЫ, ЭТО МЫ ВЫВОДИМ ВАС!

Wir gehen auf die Straße, nicht weil wir euch folgen, sondern weil wir verantwortungs-bewusste Bürger sind, die wollen, dass man sich an die Gesetze ihres Landes hält, und dass Wahlen ehrlich sind. NICHT IHR SEID ES, DIE UNS AUF DIE STRAßE BRINGEN, WIR BRINGEN EUCH AUF DIE STRAßE!

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers Wahlen in Russland 2011.

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