Russland treibt Recht auf Vergessenwerden voran, obwohl die Internetbranche protestiert

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Die russische Staatsduma ist sehr darum bemüht, eine neue Gesetzgebung zu beschließen, wonach Suchmaschinen aufgefordert werden können, Links und auf Suchanfragen bezogene Inhalte zu löschen. Der parlamentarische Ausschuss für Informationspolitik hat empfohlen, dass das Gesetz über das Recht auf Vergessenwerden bereits in erster Lesung am 11. Juni beschlossen wird, wie RBC berichtete.

Das neue Gesetz, das der Gesetzgeber am 29. Mai auf den Weg gebracht hat, regelt in Russland den Rahmen für ein Recht auf Vergessenwerden, sodass von Suchmaschinen im Internet verlangt werden kann, Links zu löschen, die auf private Daten verweisen oder auf Inhalte, die als falsch oder als fehlerhaft betrachtet werden. Links zu vertrauenswürdigen Informationen, die älter als drei Jahre sind, können ebenso entfernt werden. In derartigen Fällen gibt es lediglich bei strafrechtlichen Ermittlungen und bei noch nicht verjährten Verfahren Ausnahmen von der Regel.

Der Gesetzgeber strebt Geldstrafen gegen Suchmaschinen an, die diesen Löschanfragen nicht ordnungsgemäß nachkommen: 100.000 Rubel (1.800 US-Dollar), falls Löschanfragen nicht innerhalb von drei Tagen entsprochen worden ist; bis hin zu 3 Millionen Rubel (54.700 US-Dollar) für den Fall, dass auf der Webseite der Suchmaschine Einträge nicht entfernt worden sind, obwohl dafür ein entsprechender Gerichtsbeschluss vorliegt.

Einer der Verfasser des Gesetzentwurfs, Alexej Kasakow, sagte, Suchmaschinen würden bloß zur Löschung von Links verpflichtet, wenn es einen Gerichtsbeschluss gibt. Dabei hätten sie auch die Gelegenheit, beanstandete Inhalte in Übereinstimmung mit dem Antrag eines Nutzers freiwillig zu entfernen. Ein weiterer Mitautor des Gesetzes, Wadim Dengin, behauptete, dass “eine Person das Recht hat, im Internet nach eigenem Wunsch dargestellt zu werden und Suchresultate korrigieren zu lassen, falls diese deren ‘falsche Seite’ zeigen würden”.

Die neue Gesetzgebung sieht sich der Kritik durch die russische Internetbranche ausgesetzt. Der Suchmaschinengigant Yandex sagte gegenüber dem Nachrichtenportal Meduza, dass ein derartiges Gesetz verfassungsmäßige Informationsrechte verletzen und Suchmaschinen mit unbegründeten und ungewöhnlichen rechtlichen Zwängen belasten würde. Beleidigende und kränkende Informationen, sagt Yandex, würden sowieso im Internet auffindbar bleiben, wenn sie auf Webseiten, wie sozialen Netzwerken, verbreitet worden sind.

Einige Kommentatoren haben befürchtet, dass diese Vorschriften missbraucht werden könnten, um unerwünschte Ergebnisse aus den Suchresultaten zu entfernen. Oleg Jaschin, Vizepräsident von Russian Shield, einer Organisation zum Schutz von Urherberrechten, sagte, eine Möglichkeit bestünde darin, dass Suchmaschinen dazu aufgefordert werden, Suchresultate zu unterdrücken oder zu diskriminieren, die auf Inhalte blockierter Webseiten oder auf gesetzwidrige Informationen verlinken.

Die Praxis des Löschens von Suchergebnissen gibt in vielen europäischen Ländern Anlass zur Diskussion. Im Mai 2014 entschied der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil zugunsten des “Rechts auf Vergessenwerden“. Das Urteil forderte von Google, eine Systematik zu entwickeln, mit deren Hilfe es Privatpersonen in der EU ermöglicht wird, von Google das Löschen bestimmter Suchresultate aus den Ergebnislisten zu verlangen, falls diese Links persönliche Informationen enthalten, die entweder veraltet oder als nicht mehr relevant zu betrachten sind. Während der vorliegende Fall sich auf andere Arten von Inhalten bezieht, gibt es doch Gemeinsamkeiten bezüglich der Haftung von Informationsmittlern und der theoretischen Möglichkeit des Missbrauchs von Gesetzen, die das russische Internet regulieren.

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