Ein Video-Clip der Frauenmode der letzten 100 Jahre im Iran stellt mediengeprägte Stereotype in Frage

Schönheitstrends und soziale Aufstände im Iran während des letzten Jahrhunderts. Bild mit Genehmigung zur Weiterverwendung.

Das Private ist politisch, das gilt auch für Haare und Make-Up.
 
Diese Binsenweisheit wird durch die beliebte Serie 100 Years of Beauty, insbesondere ihre dritte Episode, welche sich auf die wechselnden Trends und Tendenzen im Iran konzentriert, erneut verdeutlicht. In der Serie geht Cut.com den Modetrends nach, denen Frauen im Lauf des letzten Jahrhunderts folgten.
 
Im Videoclip spüren Visagisten und Friseure den unterschiedlichen Arten nach, auf die iranische Frauen ihr Aussehen zwischen 1910 und 2010 veränderten und verändern ließen. Hervorgehoben werden Traditionen und Stile, die sich lange vor und nach der Islamischen Revolution im Jahr 1979 großer Beliebtheit erfreuten. Dadurch zeigt Cut.com eine Bilderreihe des Iran, wie sie in den Medien außerhalb der Region nur selten zu finden ist.
 
Der Plan war, so die Schöpfer der Serie Yahoo Beauty, aufzuzeigen, wie eng verwoben politische Veränderungen und Schönheitstrends sein können. Auch sollte deutlich werden, wie es passieren kann, dass Länder und Gemeinschaften manchmal aus eben diesen Gründen auf ein einziges Bild reduziert werden:
 
When we were choosing our third piece we wanted to showcase a culture where that link between beauty and politics was most explicit. Generally, American media is pretty insular. People from other countries are reduced to tropes. We wanted to show that Iran, just like our country, has never been static. The culture has changed a lot over time […] And hopefully, those changes would surprise people enough that they would want to know why and do a little work on their own to find out more.
 

Als wir uns den dritten Beitrag überlegten, wollten wir eine Kultur präsentieren, in der diese Verbindung zwischen Schönheitsidealen und Politik sehr eindeutig war. Die amerikanischen Medien sind im Großen und Ganzen sehr abgeschottet. Menschen aus anderen Ländern werden auf bestimmte Bilder reduziert. Wir wollten zeigen, dass im Iran, genau wie in unserem eigenen Land, nie Stillstand herrschte. Im Laufe der Zeit hat sich die Kultur sehr verändert […] Wir hofften, dass diese Veränderungen die Zuschauer so sehr überraschen würden, dass sie wissen wollten, wie es dazu kam, und so auf eigene Faust mehr herauszufinden. 

 
Nachdem das Video auf der Facebookseite von Cut.com veröffentlicht wurde, löste dies eine viele Diskussionen aus, die bis heute nicht abgerissen sind. Auf der Pinterest-Seite von Cut.com findet man außerdem einige Bilder aus dem Clip, sowie Teile der Recherche, die in ihn einflossen.
 
 
Iran 1920s
 
 
Iran 1910
 
Wie vorherzusehen war, gab es einige Debatten um die Verwendung und den Zwang des Hidschab. Sowohl auf YouTube als auch auf Facebook wurde in den Kommentaren ausführlich über die Definition von Freiheit, Bürgerbeteiligung, den Wert der Entscheidungsfreiheit und die Rolle der Tradition im Leben von Frauen diskutiert. Ebenso wurde über die Partizipation von Frauen im Iran heutzutage sowie zu Zeiten vor der Islamischen Revolution debattiert, Überlegungen und Erfahrungen wurden ausgetauscht:
 
Mahrukh Ahmed meinte dazu:  
 
How does “no hijab” define freedom? There are Iranian women who wear hijab because they want to, and it is true that some are forced and that is wrong. But to say that the hijab itself is regression is just your own opinion. Muslim women can wear hijab and still have freedom. Hijab was not the only thing during the Ayatollah's time that was forced. If you think that all Iranian women should “rebel” and remove their headscarves to be free, remember, your violating someone's freedom of choice […] I am appalled at […] women thinking that all Muslim women should lose their veils to be “free”. That is also wrong.   

Wieso ist “kein Hidschab” eine Umschreibung für Freiheit? Es gibt iranische Frauen, die den Hidschab tragen, weil sie es so wollen, und es stimmt, dass manche dazu gezwungen werden und das ein Unrecht ist. Aber zu behaupten, dass der Hidschab an sich einen Rückschritt darstellt, entspringt nur der eigenen Meinung. Muslimische Frauen können den Hidschab tragen und trotzdem frei sein. Der Hidschab war nicht der einzige Zwang, den es zu Zeiten des Ayatollahs gab. Wer glaubt, dass alle iranischen Frauen “rebellieren” und ihre Kopftücher abnehmen müssten, sollte sich daran erinnern, dass er damit die Entscheidungsfreiheit anderer verletzt […] Ich bin entsetzt, dass […] Frauen glauben, alle muslimischen Frauen müssten ihre Schleier loswerden, um “frei” zu sein. Das ist genauso falsch.

 
Die Diskussionen beschäftigten sich darüber hinaus damit, wie Muslime in westlichen Gesellschaften leben, und mit den großen Unterschieden, die hierbei zu muslimischen Ländern im Nahen Osten und Nordafrika bestehen können. Vorstellungen und Eindrücke überlagerten einander und zeigten eine Vielfalt an Erfahrungen und Arten der Wahrnehmung von Muslimen und Nicht-Muslimen im Nahen Osten und dem Westen.

Schwierige Fragen wurden gestellt und erhielten scharfe Reaktionen:

MrJazmine871 äußerte sich:

 
I'm a Muslim girl living in a Western society, why would you want to be like Western women ? It's so boring

Ich lebe als muslimisches Mädchen in einer westlichen Gesellschaft, warum sollte ich wie westliche Frauen sein wollen? Das ist doch langweilig

 
Shahrzad S erwiderte darauf: 
 
I live in a Western society too. You make it sound like the concept of being a non-religious Muslim is some fantasy for Iranian women. That's how it was (its shown in the video). And Iranians aren't demanding Western ideals, we are demanding choice. The women who choose to be religious can be, the women who do not can not be. And this isn't just about the hijab, its about ridding a religious regime.
 
I am surprised why the concept of a country wanting freedom of choice is so unusual.

Ich lebe auch in einer westlichen Gesellschaft. Bei dir klingt es so, als ob die Vorstellung, eine nicht-religiöse Muslima zu sein, eine Art Fantasie iranischer Frauen ist. So war es einmal (wie man in dem Video sehen kann). Und die Iraner verlangen keine westlichen Ideale, wir wollen Entscheidungsfreiheit. Frauen, die sich dafür entscheiden, religiös zu leben, dürfen das, und Frauen, die das nicht wollen, dürfen sich dagegen entscheiden. Es geht hier nicht nur um den Hidschab, sondern darum, ein religiöses Regime loszuwerden.

Es überrascht mich, dass die Vorstellung, dass ein Land Entscheidungsfreiheit verlangt, so seltsam sein soll.

 
Wenig überraschend ist, dass es in den Reaktionen auf das Video zu Konflikten kam — insbesondere auf YouTube, das genau dafür bekannt ist — aber die Vielfalt an Fragen und Antworten zeigte, wie sehr Vorlieben in Bezug auf Mode den Blick auf eine Gesellschaft öffnen können. Dieser Umstand gewinnt zunehmend an Bedeutung in einer Zeit, in welcher der Iran in den Medien eher als Regime denn als Volk mit einer Vielzahl an Facetten dargestellt wird.
 
Zahlreiche Kommentare offenbarten beispielsweise eine Unkenntnis der Stile, die vor 1979 in Mode waren. Dies löste Nachforschungen nach den Gründen für die radikalen Veränderungen zwischen den 70er und 80er Jahren aus, nach denen das Make-Up und die Frisur des Models durch einen Chador eingeschränkt wurden. Wiederholt wurde auch nach der grünen Farbe im Gesicht des Models für die 2000er gefragt. Damit wird das Aussehen der weiblichen Demonstranten während der Aufstände im Anschluss an die Präsidenschaftswahlen im Jahr 2009 repräsentiert.
 
Richard Taylor äußerte sich: 
 
This has shown me how ignorant I still am about much of human history. I am constantly learning but I had no idea that Iranian women had more of a Western style for several decades.

Das hat mir klar gemacht, wie wenig ich immer noch über weite Abschnitte der menschlichen Geschichte weiß. Ich lerne ständig dazu, aber ich hatte keine Ahnung davon, dass iranische Frauen mehrere Jahrzehnte lang einen eher westlichen Stil hatten.

 
Darauf antwortete Pirouz Kas: 
 
+Richard Taylor The media like to draw their simple “Clash of Civilisations”-picture. east vs west, evil vs good, like a bad hollywood film lol. Sometimes do-gooders in the west defend oppressive regimes in the east, because they think there is no alternative for the people there. In my opinion, Iran deserves freedom and human rights, like any other country in the world.
 
By the way, when I say to Germans, we are not Arabs – they sometimes answer, yes you are! Thanks media, good job really. 

+Richard Taylor Die Medien zeichnen gerne ein einfaches Bild des “Konflikts der Kulturen”. Osten im Gegensatz zum Westen, Gut im Gegensatz zu Böse, wie in einem schlechten Hollywoodfilm lol. Westliche Gutmenschen verteidigen manchmal gewaltsame Regimes im Osten, weil sie glauben, dass die Menschen dort keine Alternativen haben. Meiner Meinung nach verdient der Iran, wie jedes andere Land auf der Welt, Freiheit und Menschenrechte.

Das komplette Video ist hier zu finden:

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