Hilfsbereitschaft im Netz prägt die Katastrophen in Südbrasilien

Porto Alegre, 27. Januar 2013. Es sollte ein Sonntag wie jeder andere werden. Die Fußballmeisterschaft von Rio Grande do Sul versetzte den Bundesstaat in Spannung. Die Studenten der zahlreichen Aufnahmeprüfungen feierten das Ende der anstrengenden Lernphase. Alles schien gut zu sein. Ein Jahresanfang wie jeder andere.

Doch es war dieser Sonntag, als die schlimmste Katastrophe des Bundesstaates alle Nachrichten bestimmte. In der Stadt Santa Maria beendete ein Brand im Nachtclub Kiss [pt] das Leben und die Träume von 230 Jugendlichen. Der Kolumnist Juremir Machado da Silva [pt] der Zeitung Correio do Povo [pt] beschrieb es am 27. Januar in seinem Tweet so treffend: „Sie wollten nur Spaß haben.” [pt]

Nachdem der erste Schock des Geschehens vorbei war, nahm die Hilfsbereitschaft ihren Lauf.

Vila Liberdade, Porto Alegre. Recolha de donativos estão sendo feitos no ginásio Giúdice (CC BY-SA Overmundo)

Vila Liberdade in Porto Alegre. Die Spenden werden in der Turnhalle der Escola Municipal Antônio Giúdice gesammelt (cc-by-sa 2.0, Overmundo)

Die wichtigsten sozialen Netzwerke wurden dazu benutzt, Information über das Ereignis zu sammeln, aber auch um den Opfern zu helfen. Es fehlten Ärzte und Psychologen. Es fehlten Wasser und Lebensmittel. Die Verletzten brauchten Blutspenden.

Am Dienstag, den 29. Januar, veröffentlichte das größte Krankenhaus von Porto Alegre, das Hospital de Clínicas, auf Facebook eine Meldung [pt], dass die Bevölkerung nicht mehr Blut spenden gehen solle, da die Lagerkapazitäten bereits ausgeschöpft waren.

O Hospital de Clínicas de Porto Alegre esclarece que não está solicitando doações de sangue para esta quarta-feira. Centenas de pessoas mobilizaram-se em solidariedade às vítimas de Santa Maria e o Banco de Sangue do hospital recebeu mais de 500 doações só nesta segunda e terça-feira.
O hospital agradece a disposição de todos e conta com a compreensão dos doadores para que se organizem para procurar o Banco de Sangue nas próximas semanas.

Das Hospital de Clínicas de Porto Alegre stellt klar, dass für diesen Mittwoch vorerst keine weiteren Blutspenden benötigt werden. Hunderte Menschen haben sich bereits mit den Opfern von Santa Maria solidarisch gezeigt und die Blutspendenbank des Krankenhauses erhielt allein an diesem Montag und Dienstag mehr als 500 Blutspenden.
Das Krankenhaus dankt allen für ihre Bereitschaft, hofft auf das Verständnis der Spender und bittet darum, die Blutspendebank in den nächsten Wochen wieder aufzusuchen.

Der Tweet von Nathalia Guarezi (@naguarezi), Autorin des Blogs De Chaleira [pt], war einer von vielen, die bei der Suche von Vermissten um Hilfe baten:

Pessoas, a @luanamag pediu ajuda para encontrar essa garota em alguma lista de feridos de Santa Maria: http://facebook.com/faccoferreira. Vamos ajudar!

Leute, die @luanamag braucht Hilfe um dieses Mädchen in den Opferlisten von Santa Maria zu finden http://facebook.com/faccoferreira. Lasst uns helfen!

Die internationale Berichterstattung war ebenfalls umfassend. Das Ereignis landete auf der Titelseite der New York Times [en] vom 28. Januar. Simon Romero (@viaSimonRomero), Chefredakteur der brasilianischen Ausgabe der US-Zeitung, verbreitete am 29. Januar die Seiten, die die NY Times über die Katastrophe geschrieben hatten.

Das Observatório de Imprensa [pt], eines der wichtigsten brasilianischen Medienkritik-Blogs, beschrieb am 28. Januar die allgemeine Berichterstattung des Ereignisses. Luiz Martins Costa, der im OI einen Beitrag zu der Thematik veröffentlicht hatte, schrieb folgendes: „die Zahlen geben der Tragödie eine Größe, die Faktoren, die die Auswirkungen des Unfalls verschlimmert haben, wecken Gefühle der Empörung, und dennoch sind wir noch weit davon entfernt, die Bedeutung des Geschehens in vollem Ausmaß zu verstehen.“ Costa schrieb außerdem:

Os jornais de segunda-feira (28/1) tentam superar a perplexidade, mas essa é a expressão que define exatamente até onde pode chegar a narrativa especializada: quanto mais as palavras e as imagens nos aproximam da verdade, menos aceitável ela se torna.

Die Zeitungen vom Montag (28.1.) versuchen die Komplexität zu überwinden, aber genau das ist der Punkt bis wohin die professionelle Berichterstattung kommt: je mehr wir uns mit Worten und Bildern der Wahrheit nähern, umso wenig annehmbar wird sie.

 

Vila Liberdade geht in Flammen auf

Derweil heulte die Alarmsirenen am Abend des gleichen Sonntags in Vila Liberdade, im Norden von Porto Alegre. Das Viertel liegt unweit des jüngst eröffneten Grêmio-Fußballstadions (Arena do Grêmio). Der Glanz des Stadions steht in starkem Kontrast zum Elend nebenan. Laut des Portals Sul 21 [pt] gingen 90 der 150 Häuser in Flammen auf. Mindestens 50 davon brannten nieder.

Vila Liberdade - Porto Alegre - 27/01/2013. Cerca de 800 pessoas estão desabrigadas. (CC BY-SA Overmundo)

Vila Liberdade, Porto Alegre, am 27. Januar 2013. Etwa 800 Menschen wurden obdachlos (cc-by-sa 2.0, Overmundo)

Nach Information der Zivilpolizei und der lokalen Bevölkerung entstand das Feuer nach einem Streit eines Ehepaars in Vila Liberdade. Samir Oliveira schildert folgendes in seiner Reportage [pt]:

Valéria é apenas uma das dezenas de moradores da Vila Liberdade que se amontoavam entre os escombros do incêndio(…) Em meio a cacos de vidro, tijolos quebrados, ferros retorcidos, esqueletos de geladeiras e carcaças carbonizadas de porcos, gatos, galinhas e cães, os moradores buscavam recuperar materiais que pudessem ter resistido às chamas.

Valéria ist eine der dutzenden Bewohner von Vila Liberdade, die sich zwischen den Trümmern und Überresten des Feuers sammelt (…) Zwischen Glasscherben, kaputten Ziegelsteinen, verbogenen Eisen, Kühlschrankgittern, verkohlten Knochen von Schweinen, Katzen, Hühnern und Hunden, suchen die Bewohner nach Überbleibseln, die die Flammen überstanden haben könnten.

Vila Liberdade (CC BY-SA Overmundo)

Vila Liberdade (cc-by-sa 2.0, Overmundo)

Während die traditionellen Medien sich darin zeigten über eine weitere Katastrophe in so kurzer Zeit zu berichten, war klar zu sehen, dass die für die Katastrophe von Santa Maria mobilisierten Kräfte sofort auch den Opfern von Vila Liberdade zur Seite standen. Neben Protesten gegen das benachbarte Stadion und Beileidsbekundungen, bestimmten die Bitten um Lebensmittel- und Kleiderspenden die digitalen Medien, vor allem am darauffolgenden Tag.

Vila Liberdade: Os atendimentos e distribuição de donativos estão sendo feitos no ginásio de esportes da Escola Municipal Antônio Giúdice. No dia 2 de fevereiro um grupo de voluntários foi à vila em mutirão para fazer boletins de ocorrência para os atingidos pelo incêndio. (CC BY-SA Overmundo)

Vila Liberdade: Die Annahme und die Verteilung der Spenden wird in der Turnhalle der Escola Municipal Antônio Giúdice organisiert (cc-by-sa 2.0, Overmundo)

Dieser Sonntag bleibt unvergessen. Die Hilfsbereitschaft ebenso.

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