Von dem Gerichtsverfahren der Zone9-Blogger: 16 Monate und es werden immer mehr

Police lead Natnael Feleke (center right) and fellow blogger Atnaf Berahane (center left) to court. Photo courtesy of Trial Tracker Blog.

Die Polizei führt Natnael Feleke (Mitte rechts) und seinen Bloggerkollegen Atnaf Berahane (Mitte links) zum Gericht. Verwendung des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Trial Tracker Blogs.

Seit ihrer Festnahme und Inhaftierung am 25. April 2014 haben die äthiopischen Zone9-Blogger viele Richtungsänderungen und Kehrtwenden in ihrem Gerichtsprozess erlebt. Insgesamt sind sie in den 16 Monaten 30 Mal vor Gericht erschienen und jedes Mal wurde das Verfahren vertagt. Mit der Freilassung von fünf der Inhaftierten im Juli hat der Fall eine kritische Phase erreicht.

Fünf der äthiopischen Blogger (vier erwarten ein Urteil in Haft und einer in Abwesenheit) stehen weiterhin unter Anklage, da die äthiopische Regierung ihnen Verbrechen im Zusammenhang mit Terrorismus vorwirft, die angeblich im Mai 2012 begangen worden sein sollen. Endalk Chala, ein Gründungsmitglied des Bloggerkollektivs Zone9 und Global Voices-Autor, führt uns durch die letzten Entwicklungen des Prozesses gegen die Zone9-Blogger bis zur Gerichtssitzung am Montag, 7. September.

Wie fing alles an?

Als die Blogger am 25. April 2014 festgenommen wurden, war es für einen Zeitraum von drei Wochen ihren Familienmitgliedern nicht erlaubt, sie zu besuchen und auch ein Rechtsbeistand wurde ihnen verweigert. Der nicht enden wollende Prozess der Blogger kam erst nach vier Wochen Haft langsam ins Rollen. Während dieser vier Wochen, so berichten Freunde und Familienmitglieder, wurden die Blogger auf ihrem Gmail-Konto als eingeloggt angezeigt. Die grünen Punkte am Profil ihrer Gmail-Accounts beunruhigten die Verwandten und Freunde und viele vermuteten, dass die Blogger während der langwierigen, fast drei Monate andauernden Ermittlungen im Rahmen des Untersuchungsverfahrens gefoltert worden waren, um die Passwörter ihrer Gmail-Accounts preiszugeben.

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Zeitleiste des Falls der Zone9 von Endalk Chala, Stand: Ende August 2015. Übersetzung von Anne Hemeda.

Die Haft und die Bedingungen, unter denen die Blogger im Gefängnis saßen, machten den Sitzungstag am 17. Mai zu einem wichtigen Ereignis, da es eine Gelegenheit darstellte, sich davon zu überzeugen, dass die Blogger unversehrt sind. Vor dem 17. Mai wurde berichtet, die Blogger sollten verdeckt zum Gericht geleitet werden, aber keiner konnte das bestätigen.

Vor ihrem Erscheinen vor Gericht am 17. Mai hatte sie keiner sehen können. Freunde und Familie warteten voller Unruhe stundenlang auf dem Gelände des baufälligen Arada-Gerichts, vor dem das Verfahren aufgenommen wurde, bis die Regierung entschied, die Verhandlung zum Lideta-Gerichtshof zu verlegen. Als die Blogger zum Gerichtsgebäude eskortiert wurden, drängten sich die Menschen, um von ihnen ein Foto zu machen. Es gab viele Sicherheitskräfte, die die Blogger umstellten und die Stimmung war sehr angespannt. Obwohl Journalisten und Freunde der Blogger durch das Sicherheitspersonal sehr unter Druck gesetzt wurden, twitterten sie live und veröffentlichten Bilder vom Prozess.

Sein Mobiltelefon verbergend, twitterte einer der Anwesenden, was ein Polizist zu ihm sagte, als er die Blogger auf ihrem Weg zum Gerichtssaal fotografieren wollte: “Mit seinem Zeigefinger auf den Boden deutend brüllte mich der Polizist an: Du darfst nicht einmal ein Bild von diesem Boden machen, geschweige denn von den Bloggern.” Seither tendiert das Verhalten der Polizei in diese Richtung. Bei den meisten Gerichtsprozessen fordert die Polizei die Anwesenden auf, ihre Mobiltelefone auszuschalten, sobald sie sich auf dem Gelände des Gerichts befinden. Das Vorgehen scheint an äthiopischen Gerichtshöfen jetzt zum Standard geworden zu sein. Kameras und andere Aufnahmegeräte sind in den Gerichtssälen nicht gestattet, auch wenn laut der äthiopischen Gesetzgebung alle Prozesse öffentlich sind.

Während des 16 Monate andauernden Verfahrens war es durchaus üblich, lange Menschenschlangen außerhalb des Lideta-Gerichts zu sehen. Sie wollten dem Gerichtsprozess der Blogger beiwohnen, aber den Gerichtssaal zu betreten wurde zur Herausforderung. Von dem Sicherheitspersonal zu den Gerichtsdienern, die meisten Beschäftigten des Gerichts wirken abschreckend und unfreundlich. Das Verhalten der Polizisten gegenüber denjenigen aber, die dem Verfahren der Blogger beiwohnen wollten, war jedes Mal sehr grob. Über die 16 Monate des Gerichtsprozesses wurden nicht weniger als drei Personen, die versuchten, eine Szene des Prozesses mit ihren Mobiltelefonen aufzunehmen, kurzzeitig gefangengenommen und dazu aufgefordert, die Bilder zu löschen. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Blogger selbst während des gesamten Prozesses so viel durchmachen mussten.

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Kurzinfo zusammengestellt von Endalk Chala, Grafik und Übersetzung von Anne Hemeda.

Ständige Vertagungen

Der 23rd Criminal Bench ist ein typischer, heruntergekommener Gerichtssaal am oberen Ende des Gebäudekomplexes des Lideta-Gerichts. Obwohl das Verfahren in den letzten 16 Monaten 36 Mal vertagt wurde, beläuft sich die Anzahl der Stunden, die die Blogger und ihr Rechtsbeistand im Gerichtssaal während des Verfahrens verbracht haben auf weniger als zehn Stunden. An einem typischen Prozesstag verbringen die Blogger weniger als acht Minuten im Verhandlungssaal, ohne dass es dafür eine substanzielle juristische oder verfahrensrechtliche Begründung gäbe. Die Hälfte der Zeit geht dafür drauf, dass entweder die Richter oder die Staatsanwälte mit einer Verspätung im Gerichtssaal ihre Plätze auf der erhöhten Sitzreihe einnehmen und dann der Staatsanwalt um eine Vertagung bittet. Einige Male wurde dieses Vorgehen auf den letzten Moment hinausgezögert und zunächst andere Strafverfahren durchgearbeitet, bevor die Aufmerksamkeit den Bloggern zugewandt wurde, die auf den langen Holzbänken vor dem Gerichtssaal warteten, dass das Verfahren erneut verschoben wird.

Die Blogger rechnen damit, dass sie am Montag, 7. September erneut vor Gericht erscheinen sollten. Ob das Gericht das Verfahren erneut vertagte? Für weiteren Hintergrund zu dem Gerichtsverfahren, hier ein Bericht von Juli und einer von August.

In unserer Sonderberichterstattung finden sich außerdem weitere Informationen, auch zu unserer Kampagnenarbeit.

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