Hat Russland das Anonymisieren im Internet wirksam genug unterbunden?

Russian officials have long debated banning Tor and other anonymizers. Images mixed by Tetyana Lokot.

Russische Beamte diskutieren seit Langem, Tor und andere Anonymisierer zu verbieten. Fotomontage: Tetyana Lokot.

Ein russisches Gericht hat entschieden, Teile der Internetpräsenz von RosKomSvoboda zu blockieren, einer russischen Organisation für Internetfreiheit und Menschenrechte. Das Urteil wurde damit begründet, dass die fragliche Webseite ein Anonymisierer sei; damit ist eine Methode gemeint, die Internetnutzern den Zugriff auf Inhalte und Webseiten ermöglicht, die in Russland blockiert sind. Diese Gerichtsentscheidung ist alarmierend, weil in Russland gegenwärtig weder Anonymisierer noch vergleichbare Programme gesetzlich verboten sind.

Am 13. April fiel die Gerichtsentscheidung durch das Amtsgericht Anapa (Region Krasnodar), die Internetadresse http://rublacklist.net/bypass zu blockieren. Die von RosKomSvoboda betriebene Seite enthielt Anleitungen, wie die regionale Sperrung von Internetinhalten (Geoblocking) und von Seiten, die von den russischen Behörden auf die schwarze Liste gesetzt worden sind, umgangen werden kann. Im Urteil wird behauptet, dass diese Webseite ein Anonymisierer sei und dass “durch die Nutzung dieser Seite Bürger mit ausgetauschten IP-Adressen ohne weiteres einen anonymen Zugang zu gesetzeswidrigen Inhalten erlangen könnten, auch zu Materialien politischer Extremisten”.

Obwohl die Entscheidung bereits im April erging, unmittelbar nach einer Anklage durch den örtlichen Staatsanwalt, erhielt RosKomSvoboda erst am 27. Mai davon Kenntnis. Die Gruppe habe keinerlei Vorwarnungen bekommen, sagte Sarkis Darbinyan, Rechtsanwalt der Organisation. Darbinyan ergänzte, sie seien davon überrascht worden, dass man die Seite als Anonymisierer einstufe, da sie derartige Programme nicht zur Verfügung stelle, sondern nur Texte mit Anleitungen für Internetnutzer. Die Rechtsabteilung der Organisation plant, gegen die Entscheidung Berufung einzulegen.

Artem Kozlyuk, Chef von RosKomSvoboda, bezeichnete sowohl die Anklage als auch die Gerichtsentscheidung als absurd und fragt sich, ob das Gericht überhaupt irgendeine Idee davon habe, was ein Anonymisierer ist.

The workers of the law enforcement demonstrated their complete incompetence in the basic knowledge of all the common technical aspects of the network, though even youngsters can understand it. The anonymizers, proxies and browsers are multitask instruments, helping to search the info on the Internet.

Staatsanwaltschaft und Gericht haben ihre völlige Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Grundlagen gebräuchlicher Netzwerktechniken demonstriert, obwohl das sogar Jugendliche verstehen würden. Anonymisierer, Kommunikationsschnittstellen (Proxy) und Browser sind multifunktionale Technologien, um im Internet an die gewünschten Informationen zu gelangen.

Obwohl in der Entscheidung Anonymisierer erwähnt sind, argumentiert das Gericht mit einem Zirkelschluss, um die Webseite von RosKomSvoboda auf die schwarze Liste zu setzen. Weil die auf der Seite bereitgestellten Information “es dem Nutzer erleichtert, sich Zugang zu Webseiten mit Inhalten zu verschaffen, die auf der föderalen Liste extremistischer Materialien stehen”, muss die Seite “auf dem Staatsgebiet der Russischen Föderation blockiert werden”. Dies geschieht in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der im Internet veröffentlichten Urteilsbegründung. Außerdem führt das Gericht einige der extremistischen Materialien auf, zu denen man Zugang erhalten würde, wenn man die Anleitung zur Umgehung verwendet. Die wichtigste Anspruchsgrundlage für das Blockieren der Seite ist aber letztlich das Gesetz zur Abwehr extremistischer Aktivitäten.

Wie auch immer. Die Tatsache, dass das Gericht den Begriff “Anonymisierer” als eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Blockieren der Seite betrachtet, gibt Anlass zur Sorge. Denn weder das Verwenden, noch das Beschreiben von Anonymisierern, Servern für Kommunikationsschnittstellen und ähnlichen Technologien ist in Russland gegenwärtig verboten.

Russische Behörden diskutierten in den letzten Jahren Einschränkungen bei der Verwendung von virtuellen privaten Netzwerken (VPN) und Anonymisierern. Im Jahre 2013 berichteten russische Medien, dass der Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation (FSB) in Betracht zieht, die Abgeordneten der Staatsduma dahingehend zu beeinflussen, ein gesetzliches Verbot von “Tor und anderen anonymisierenden Proxy-Servern” zu beschließen. Aber die Idee ist nie über den zuständigen Parlamentsausschuss hinausgekommen. Im Februar 2015 unterbreitete Leonid Levin, Mitglied des Parlaments und Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses für Informationspolitik und Kommunikation, den Vorschlag, dass die Verwendung von Technologien zur Anonymisierung und Umgehung, wie Tor, VPN und Proxy-Server beschränkt werden müsse. Im Jahre 2014 bot der russische Innenminister jedem, dem es gelang, einen Plan zur Entschlüsselung von Daten aus dem Tor-Netzwerk auszuarbeiten, eine Belohnung in Höhe von knapp 4 Millionen Rubel (ungefähr 100.000 US-Dollar).

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