Herr Bürokrat, Russlands “faltige” junge Frauen würden gerne etwas mit Ihnen besprechen

A selection of #WrinkledWomen flashmob participants. Instagram screenshot.

Einige Teilnehmer am Flashmob #FaltigeFrau. Instagram Bildschirmfoto.

Pawel Astachow, Wladimir Putins Beauftragter für die Rechte von Kindern, hat auf Instagram einen Flashmob provoziert, nachdem er im Radio andeutete, es sei “prüde”, wegen einer immerhin vielfach publizierten Heirat zwischen einem 17-jährigen Mädchen und einem wesentlich älteren Polizeioffizier in Tschetschenien Bedenken zu haben.

“Im Kaukasus”, erläuterte Astachow gegenüber Russian News Service, “sind die Mädchen emanzipierter und früher reif [als in anderen Teilen Russlands]. Also lasst uns deswegen keine Zimperliesen sein. Es gibt Regionen, wo die Frauen schon im Alter von 27 Falten haben und für unsere Verhältnisse wie 50-jährige aussehen.”

Als Antwort darauf haben junge Frauen im Internet begonnen, auf Instagram Selfies mit dem Hashtag #сморщеннаяженщина (#FaltigeFrau) zu posten. Auf diesen Fotos verzerren sie ihre Gesichtszüge und simulieren dadurch die ersten Falten. Viele Selfies enthalten sarkastische Grüße an Astachow.

Die Frau hinter dieser Kampagne scheint Bella Rapoport zu sein, eine prominente feministische Autorin aus Russland. Kürzlich stand Rapoport im Zentrum einer anderen Mediendebatte, als sie auf Colta.ru einen weit verbreiteten Meinungsartikel schrieb und darin die fehlende Geschlechtersensibilität eines anderen russischen  Medienbetriebs, nämlich Meduza, kritisierte. (Um ganz offen zu sein: Der Verfasser dieser Zeilen schreibt für die englische Ausgabe von Meduza.)

In Übereinstimmung mit Instagrams Zeitstempeln war Rapoport die erste, die bei diesem Flashmob den Hashtag #FaltigeFrau benutzte. Die zweite Mitwirkende scheint Tonja Samsonowa gewesen zu sein. Eine beliebte Journalistin des Radiosenders Echo Moskau, sie hat in den sozialen Medien zahlreiche Follower. Innerhalb von etwa 12 Stunden gab es unter diesem Hashtag mehr als 120 Beiträge.

#сморщеннаяженщина 35 лет передает привет детскому омбундсмену

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Eine #FaltigeFrau von 35 Jahren grüßt den Ombudsmann für Kinder.

Eine faltige Frau, 28 Jahre alt, grüßt den Ombudsmann für Kinder. #FaltigeFrau

#сморщеннаяженщина может и порчу навести, аккуратнее там.

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Eine #FaltigeFrau könnte dich verhexen. Pass gut auf dich auf.

#астаховавотставку #сморщеннаяженщина

A photo posted by Elijah (@iosav) on

#AstachowTrittZurück #FaltigeFrau

#сморщеннаяженщина

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#FaltigeFrau

#Сморщеннаяженщина а мне как раз #27лет :)

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Eine #FaltigeFrau und ich werde erst 27! :)

Jelena Milaschina, eine Journalistin der Zeitung Novaja Gaseta, hat die Geschichte der 17-jährigen Heda Goilabiewa ans Tageslicht gebracht, die Naschud Guschigow heiratete, einen wesentlich älteren und außerdem bereits verehelichten Polizeioffizier. Die Geschichte, die am 30. April veröffentlicht worden ist, verursachte einen großen öffentlichen Aufschrei, weil Milaschina behauptete, Guschigow habe Goilabiewa zu dieser Heirat gezwungen und er sei sogar so weit gegangen, die Zufahrtsstraßen zu ihrem Dorf zu blockieren, um zu verhindern, dass ihre Familie sie umquartieren konnte. Milaschina sagte, die Schwester des Mädchens habe sogar an Ramsan Kadyrow, den Präsidenten der Republik Tschetschenien, appelliert, ihr zu helfen.

Kadyrow schaltete sich zwar sofort ein, später widersprach er jedoch Milaschinas Version der Ereignisse und sagte, Goilabiewa würde einvernehmlich und mit der Zustimmung ihrer Eltern heiraten. Am 15. Mai lud Kadyrow sogar “alle und jeden” dazu ein, am 16. Mai an der Hochzeit des Paares in Grosny teilzunehmen. Dabei scherzte er, die Vermählung scheine mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen als die Feier für Prinz William und Catherine Middleton.

Am 12. Mai sendete die regierungsfreundliche Fernsehstation LifeNews ein Interview mit Goilabiewa und ihrer Mutter, in dem die 17-jährige ihre Freude über die Heirat mit Guschigow ausdrückte. Dabei kam heraus, dass er erst 46 und nicht bereits 57 Jahre alt sei, wie Milaschina berichtete.

Laut Heda Saratowa, Tschetscheniens Ombudsfrau für die Menschenrechte, ist Guschigows erste Heirat nur durch eine muslimische Zeremonie erfolgt, jedoch nicht nach russischem Recht. Das bedeutet, er ist unverheiratet, rechtlich gesehen. Seine erste Frau sieht der bevorstehenden Ankunft einer jüngeren Zweitfrau vermutlich gelassen entgegen. “Sie [die erste Frau] hat sogar beim Besorgen der Geschenke für das Mädchen [Goilabiewa] geholfen,” sagte Saratowa gegenüber der BBC.

Milaschina, die am 14. Mai aus Tschetschenien geflohen ist, nachdem sie angeblich von der tschetschenischen Polizei bedroht wurde, sagt, Goilabiewa und ihre Angehörigen sind wohl dazu gezwungen worden, mit der Hochzeit fortzufahren. Milaschina ergänzt, der Vater sei den Journalisten misstrauisch aus dem Weg gegangen und Guschigow habe zunächst abgestritten, die Frau zu kennen, die er morgen heiraten wird.

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