Ein Präsident für den Libanon? Ja, nein, vielleicht … wofür?

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Vielen Dank, von ganzem Herzen, ich werde bei euch bleiben.

Mit diesem Tweet verabschiedete sich der libanesische Präsident Michel Sleiman am 25. Mai 2014 aus dem Amt. Auf dem politischen Blog Moulahazat gibt es eine interessante und detaillierte Analyse seiner Amtszeit zu lesen.

“(…) 36% of Michel Sleiman’s time in power lacked a functioning executive power. Needless to say that the Lebanese parliament cannot legislate with no government in power, and cannot meet in summer, which means that during Sleiman’s 6 years, the parliament had a  maximum of 3 years to pass laws and amendments (around 50% of the time).”

“(…) 36 % der Amtszeit Michel Sleimans waren gekennzeichnet vom Fehlen einer funktionierenden Exekutive. Selbstverständlich kann das libanesische Parlament nicht ohne Regierung Gesetze erlassen und es kann auch nicht im Sommer tagen, was bedeutet, dass dem Parlament während der sechs Jahre, die Sleiman im Amt war, höchstens drei Jahre zur Verfügung standen, um Gesetze zu verabschieden und Änderungen zu beschließen (rund die Hälfte der Zeit).”

Beirut Report weist auf Reklametafeln am Straßenrand hin, auf denen Sleiman gelobt wird. Auf der Webseite von Beirut Report kann man ebenfalls eine Analyse zum politischen Erbe Sleimans lesen:

“(…) how will Sleiman be remembered? Will it be for his tweet calling for civil marriage or his criticism and very public disagreements with Lebanon's most powerful force, Hezbollah? Or will it be his de-facto pardon of indie rock star who was arrested for mentioning his name in a song? Meanwhile other tweeps and journalists still face criminal charges for insulting him.”

“(…) Wie wird man sich an Sleiman erinnern? Wird es sein Tweet sein, in dem er die Zivilehe fordert oder seine Kritik an und die sehr öffentliche Auseinandersetzung mit der stärksten Macht des Libanon, der Hisbollah? Oder wird es seine de facto Begnadigung eines Indie-Rockstars sein, der festgenommen wurde, weil er den Namen Sleimans in einem seiner Lieder erwähnt hatte? Währenddessen wurden gegen andere Twitternutzer und Journalisten strafrechtliche Anklagen wegen Beleidigung des Präsidenten erhoben.

Wie auch immer, all das ist Vergangenheit. Was allerdings alle brennend interessiert ist die Antwort auf die Frage was als nächstes kommt? Der Libanon befindet sich nach dem Versagen des Parlaments innerhalb des von der Verfassung vorgegebenen Zeitrahmens einen neuen Präsidenten zu wählen in einem vorhersehbaren und vorhergesagten Machtvakuum. Doch es ist nicht das erste Mal, dass der Baabda (der libanesische Präsidentenpalast) leer steht. Nach dem Ende der Amtszeit des vorherigen Präsident Émile Lahoud im Jahr 2008 gab es ebenfalls keinen offiziellen Nachfolger und der Libanon blieb sechs volle Monate ohne Staatsoberhaupt.

Heute reagieren die Libanesen auf das erneute Machtvakuum mit einer ausgewogenen Mischung aus Zynismus, Humor und Philosophie. Manchmal unbeeindruckt, doch das könnte daran liegen, dass Jahre der Enttäuschung die Libanesen gelehrt haben nicht zu viel von ihrer Politik zu erwarten.

Das würde den Realitätscheck von @DyalaBadran erklären:

Wir leben in Angst vor einem präsidentiellen “Vakuum”, als würde das, was wir jetzt haben, optimal funktionieren?

Oder auch den Ansatz von @Georges_Sassine:

Szenarien für den Libanon: (1) neue Person wird nach lang anhaltendem Machtvakuum einvernehmlich als Präsident gewählt; (2) die Sicherheitslage verschlechtert sich und das Militär übernimmt inoffiziell die Macht

Doch auf @KarlreMarks ist immer Verlass, er sieht stets das Positive:

Arabischer Präsident scheidet nach Ablauf seiner Amtszeit aus dem Amt. Die arabische Presse ist sich nicht sicher, wie sie das den Menschen erklären soll.

In aller Ernsthaftigkeit stellt der Blogger Elias Muhanna allerdings die Frage, ob der Libanon überhaupt einen Präsidenten braucht:

“More relevant than the matter of who the next president will be is the question of whether Lebanon needs a president at all, a quarter century after the Ta’if Agreement. Consider the President’s powers and duties (articles 49-63 of the Lebanese Constitution). Apart from serving as “the symbol of the nation’s unity” and safeguarding “the constitution and Lebanon’s independence, unity, and territorial integrity,” the President of the Republic does very little without the say-so of the Council of Ministers. He or she accredits ambassadors and promulgates laws, but doesn’t have a vote in cabinet, cannot select a Prime Minister without binding consultations with the Parliament, cannot dissolve Parliament without permission of the Council of Ministers, and cannot effectively block a law from being passed.”

“Viel wichtiger als die Frage, wer der nächste Präsident sein wird, ist die Frage, ob der Libanon, ein Vierteljahrhundet nach dem Abkommen von Taif, überhaupt einen Präsidenten braucht. Schauen wir uns einmal die Machtbefugnisse und Pflichten des Präsidenten an (Artikel 49-63 der libanesischen Verfassung). Außer als ‘Symbol der Einheit der Nation’ zu dienen sowie ‘die Verfassung und die Unabhängigkeit, Einheit und territoriale Unversehrtheit des Libanon’ zu schützen, macht der Präsident sehr wenig ohne Zustimmung des Ministerrates. Er oder sie akkreditiert Botschafter und verkündet die neuen Gesetze, hat jedoch kein Stimmrecht im Kabinett, kann ohne verbindliche Beratung mit dem Parlament keinen Premierminister auswählen, kann das Parlament ohne Zustimmung des Ministerrates nicht auflösen und hat keine effektive Möglichkeit zu verhindern, dass ein Gesetz verabschiedet wird.”

Zwei Wochen später gibt es noch immer keine Aussicht auf ein Ende der politisch ausweglosen Situation und mit zu vielen Problemen auf der Agenda ist das Machtvakuum schon Geschichte und Diskussionen über die Fußballweltmeisterschaft gewinnen langsam die Oberhand:

Neue Theorie im Libanon: Fußballweltmeister 2014 in Brasilien wird Einfluss darauf haben, wer der nächste Präsident wird.

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