Kambodschas Internetgesetz untergräbt in jeder Hinsicht die freie Meinungsäußerung

Monks in a computer shop in Phnom Penh. Flickr photo by Magalie L'Abbé

Mönche in einem Internet-Café in Phnom Penh. Flickr Foto von Magalie L'Abbé (CC Lizenz)

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Kambodschanische Netzbürger und Menschenrechtsgruppen erheben ihre Stimme gegen einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Internetkriminalität. Die darin enthaltenen Vorschläge könnten das Recht auf freie Meinungsäußerung untergraben.

Da die Regierung es abgelehnt hat, den Entwurf zu kommentieren, wurde der in London ansässigen Bürgerrechts-Organisation zur Verteidigung der Meinungsfreiheit, Article 19, ein inoffizieller und ins Englische übersetzter Entwurf zugespielt. Zunächst gab die Regierung ihre Absicht bekannt, ein 2012 vorgelegtes Gesetz gegen Internetkriminalität verabschieden zu wollen. Aber in den letzten zwei Jahren fanden keinerlei öffentliche Anhörungen zu diesem Vorschlag statt.

Nach Informationen der Phnom Penh Post, Kambodschas führender englischsprachiger Zeitung, wurde der Gesetzentwurf von einer Arbeitsgruppe des Kabinetts formuliert. 

Viele Netzbürger verurteilten die repressiven Vorschläge des Gesetzentwurfs, insbesondere Artikel 28. In diesem Abschnitt werden Inhalte kriminalisiert, welche die “Souveränität und Integrität des Königreichs Kambodscha gefährden”. Als ob diese Formulierung nicht schon allgemein genug wäre, stellt die gleiche Bestimmung Online-Publikationen unter Strafe, die “die öffentliche Sicherheit gefährden, zu Instabilität führen” und den “politischen Zusammenhalt” untergraben.

Außerdem kriminalisiert der Entwurf Internet-Veröffentlichungen von Materialien, die als “unsachlich” oder “verleumderisch” betrachtet werden könnten. Das Gleiche gilt für Publikationen, “die geeignet erscheinen, die Integrität von Regierungsstellen, Ministerien und Ministerialabteilungen zu untergraben, unabhängig davon, ob sie auf der Ebene des Königreichs angesiedelt sind oder zu den Provinzen gehören”. Diese Bestimmungen sind dazu geeignet, jegliche Kritik an Regierungsvertretern im Keim zu ersticken.

Der Gesetzentwurf verbietet auch das Veröffentlichen von Inhalten, die für die “moralischen und kulturellen Werte der Gesellschaft schädlich” sein könnten. Das Gesetz spezifiziert sogar besondere Online-Aktivitäten, die als gefährlich betrachtet werden: 

Schriften oder Pixilationen [Darstellung in Einzelbildern] [de] mit

  • unangemessenen Aktivitäten von Personen,
  • Menschen oder Tieren beim Geschlechtsverkehr,
  • Inhalten zur Herabwürdigung der Wertvorstellungen von Familie und Gesellschaft oder
  • häuslicher Gewalt.

Diese spezielle Bestimmung soll wohl politische Cartoonisten davon abhalten, ihren Bildwitz im Internet zu verbreiten.

Wer für schuldig befunden wird, “Internetkriminalität” begangen zu haben, hat eine Geldstrafe zwischen zwei Millionen und sechs Millionen Riel (500 bis 1.500 US-Dollar) zu erwarten. Kritiker heben hervor, dass “kriminelle Handlungen” im Internet höhere Strafen nach sich ziehen als offline begangene. 

Chak Sopheap, Exekutiv-Direktor des Kambodschanischen Zentrums für Menschenrechte schrieb, dass das vorgeschlagene Gesetz dazu dienen könnte, Regierungskritiker zu schikanieren und ihnen einen Denkzettel zu verpassen:

Artikel 28 zielt auf Menschenrechtsaktivisten oder auf die Opposition ab … So sind beispielsweise viele Internetnutzer sehr regierungskritisch und hören nicht länger auf ein und dieselbe Partei. Sie machen sich ihre eigenen Gedanken.

Die Organisation Article 19 warnt davor, dass der überaus große Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs dazu führt, dass Staatsanwälte bei der Verfolgung von Internetkriminalität den Schutz privater Daten untergraben:

Im Unterschied zu den Gerichten erhalten Staatsanwälte enorme Machtbefugnisse, um das Speichern beziehungsweise das Sicherstellen von Computer- und Verbindungsdaten anzuordnen zu können. Dieses massive Eindringen [in die Privatsphäre] ist sehr besorgniserregend. Außerdem verlieren die Staatsanwälte ihre Unabhängigkeit, die nötig ist, um die Rechte aller Beteiligten zu wahren, das gilt ganz besonders für den Schutz der Privatsphäre.

[Internationale] Bürgerrechts-Organisationen wollen die Regierung dazu zwingen, öffentliche Anhörungen abzuhalten und das Dokument zu überarbeiten, bevor es an das Parlament weitergeleitet wird:

Article 19 ist tief besorgt über Kambodschas Gesetzentwurf zur Internetkriminalität, der weit hinter den internationalen Standards zum Schutz der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Informationssicherheit und Datenschutz zurückbleibt. Falls er das Parlament in der vorliegenden Fassung passieren sollte, besteht die ernsthafte Gefahr, dass Kambodschas gegenwärtig noch freie Online-Welt in die tiefsitzende Kultur von Heimlichtuerei und Selbstzensur zurückfällt.

Das Internet hat sich als brauchbare Plattform zum Teilen und Verbreiten von Nachrichten und Informationen über Kambodschas Politik bewährt. Während der Wahlsaison des vergangenen Jahres konnte sich die Oppositionspartei die Möglichkeiten der sozialen Medien mit Erfolg erschließen, um Unterstützer zu finden und das Stimmenpotenzial besser auszuschöpfen. Auf den Online-Plattformen kritisieren junge Menschen offen Politiker und die Korruption in der Regierung. Da die Fernsehsender von regierungsfreundlichen Unternehmen dominiert werden, sind in den letzten Monaten Nachrichten über Arbeiterstreiks und Kundgebungen der Opposition hauptsächlich über das Internet verbreitet worden.

Sobald es erlassen worden ist, könnte das von der Regierung vorgelegte Gesetz gegen Internetkriminalität zu einer hohen juristischen Hürde für Online-Journalisten werden, die über Themen des öffentlichen Interesses berichten wollen. Entsprechendes gilt für Internetaktivisten, die durch ihre Kritik versuchen, bei den maßgeblichen Politikern einen Wandel herbeizuführen. Falls der Entwurf Gesetzeskraft erlangt, werden Kambodschaner durch die hohen Strafen für online geäußerte Kritik verwundbar sein. Außerdem würde das Gesetz die Regulierung des Internet sowie die Zensur sozialer Medien verschärfen.

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