Digital Citizen 1.5

Free Jabeur banners hang at a peaceful demonstration. Photo by Afef Abrougui via Flickr (CC BY-NC-SA)

“Freiheit für Jabeur”-Transparente bei einer friedlichen Demonstration. Foto von Afef Abrougui über Flickr (CC BY-NC-SA)

Digital Citizen ist eine monatliche Rundschau zu Nachrichten, Politik und Studien zu Menschenrechten und Technologie in der arabischen Welt.

Alle Links in diesem Artikel führen, soweit nicht anders gekennzeichnet, zu englischsprachigen Webseiten.

Tunesien

Während Militär und Sicherheitskräfte in ganz Tunesien Jagd auf bewaffnete Gruppen machen, wiederholt das Innenministerium seine Forderung, “terroristische” Webseiten zu filtern.

In einem Interview mit der tunesischen Zeitung Achourouk sagte [ar] Innenminister Lotfi Ben Jedouhat, sein Ministerium habe bereits schon einmal das Ministerium für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) aufgefordert, Inhalte zu filtern, die “zu Terrorismus aufhetzen”, habe aber “keine Antwort” erhalten. Ein Sprecher des Ministeriums für IKT weist jedoch darauf hin, dass derartige Inhalte nur auf richterliche Anordnung aus dem Netz genommen werden können.

Am 10. März verkündete das IKT-Ministerium die Ernennung Jamel Zenkris zum Leiter der im Land neu eingerichteten Einheit zur Überwachung elektronischer Kommunikation, der Technical Telecommunications Agency (ATT). Unter den Verfechtern von Privatsphäre hatte die Schaffung der ATT im November zu massiven Überwachungsbedenken geführt.

Nachdem Jabeur Mejri für das Verbreiten von Karikaturen über den Propheten Muhammad begnadigt worden war, wurde er am 4. März freigelassen. Mejri war seit März 2012 im Gefängnis, dafür, dass er etwas veröffentlicht hatte, von dem geglaubt wurde, es könne “der öffentlichen Ordnung und Moral schaden”, “in das Leben anderer eingreifen oder es stören” sowie “die gute Moral verletzen”. Mejri wurde zu sieben einhalb Jahren Haft verurteilt, jedoch früher entlassen.

Ein militärisches Berufungsgericht bestätigte währenddessen das Urteil im Fall des Bloggers Hakim Ghanmi. Letztes Jahr wurde Ghanmi zu einer Geldstrafe von 240 Tunesischen Dinar für “das Beschuldigen eines Beamten ohne Beweise” verurteilt, nachdem er einen Blogeintrag veröffentlicht hatte, in dem er sich kritisch gegenüber dem Personal eines Militärkrankenhauses äußerte. Die schwerwiegenderen Anklagen der “Beleidigung anderer durch öffentliche Kommunikationsnetzwerke” und “dem Ansehen der Armee schädigen” wurden fallengelassen.

Algerien

Der Blogger Abdelghani Aloui, der für das Posten von Facebook-Karikaturen des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika und des Ministerpräsidenten Abdelmalek Sellal inhaftiert worden war, bleibt weiterhin im Gefängnis. Aloui war am 25. September 2013 verhaftet worden. Seit dem 10. Oktober wird ihm “Präsidentenbeleidigung” und “Verherrlichung von Terrorismus” zur Last gelegt. Trotz der Forderungen, ihn freizulassen, wird er seit knapp sechs Monaten festgehalten, ohne dass ihm der Prozess gemacht wird.

Ägypten

Da die militärgestützte Übergangsregierung nach wie vor hart gegen Aktivisten wie Medien vorgeht, leidet darunter die freie Meinungsäußerung. Entwürfe neuer Antiterrorgesetze haben Anlass zur Sorge gegeben, es könne zu Zensur kommen. Der Gesetzesvorschlag, der an die Öffentlichkeit durchgesickert war, könnte es zulassen, dass Seiten sozialer Netzwerke verboten werden, wenn sie “die öffentliche Ordnung gefährden”. Die Gesetzgebung würde außerdem möglicherweise weitergehende Überwachungsmaßnahmen zulassen.

Alaa Abd El Fattah wurde am 23. März auf Kaution aus der Haft entlassen. Der bekannte ägyptische Blogger hatte 115 Tage hinter Gittern verbracht, ohne dass ihm der Prozess gemacht wurde [de]. Er war am 28. November 2013 in seinem Haus zusammengeschlagen und verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, einen Protest der Gruppe “Nein zu Militärprozessen für Zivilisten” ohne Genehmigung organisiert und damit das ägyptische “Antidemonstrations-Gesetz” verletzt zu haben. Die Polizei hatte die Demonstration am 26. November unter Gewaltanwendung aufgelöst und 24 Demonstranten für zwei Wochen inhaftiert. Nur Abd El Fattah und Ahmed Abdel Rahman, ein Beobachter der Demonstration, der eingriff, im Versuch Demonstrantinnen zu schützen, wurden für einen längeren Zeitraum festgehalten. Beide wurden Anfang der Woche entlassen. Ihnen wird am 6. April der Prozess gemacht.

Es gab in den letzten Wochen weitere Versuche, die Opposition zum Schweigen zu bringen: In Minya wurden zwei Brüder festgenommen, da sie eine Facebookseite mit dem Titel “Samalout Revolution” geschaffen hatten. Laut Aussage der Polizei veröffentlichte die Seite persönliche Informationen über Polizeibeamte und habe zu Gewalt und dem Sturz des Regimes aufgerufen. In einem anderen Fall wurden sieben Mitglieder der Muslimbruderschaft mit dem Vorwurf inhaftiert [ar], Informationen zur Herstellung von Waffen auf Facebook verbreitet zu haben.

Neueste Erkenntnisse des Citizen Lab der Universität von Toronto zeigen, dass zahlreiche Regierungen, darunter Ägypten, die Überwachungstechnologie “Remote Control System (RCS)” des italienischen Unternehmens Hacking Team einsetzen. Eine Untersuchung derselben Gruppe zu Beginn des Jahres hat ergeben, dass eine Überwachungs- und Filtertechnik der US-amerikanischen Firma Blue Coat in öffentlichen Netzwerken in Kairo verwendet wird. Dabei handelt es sich um eine sogenannte “Deep Packet Inspection”, einem Verfahren in der Netzwertechnik, Datenpakte zu überwachen und zu filtern.

Die gute Nachricht ist, dass eine Gruppe ägyptischer Aktivisten eine Kampagne gestartet hat, die sich für einen besseren Netzdienst und kostengünstigeren Internetzugang in Ägypten einsetzt. Die Kampagne [ar], die den Hashtag #InternetRevolution und #ثورة_الانترنت benutzt, ist eine Reaktion auf die steigenden Preise der Telekommunikationsunternehmen.

Jordanien

Das kontroverse Video “Unschuld der Muslime” [ar], das in der gesamten muslimischen Welt zu Empörung und Enttäuschung geführt hatte, ist nicht länger auf Youtube verfügbar. Letzte Woche hat das “Freiheitskomitee” der jordanischen Anwaltskammer seinen Fall gegen Google, dem Eigentümer von Youtube, gewonnen. In der Klage wurde Google der Blasphemie und Prophetenbeleidigung bezichtigt, da das Unternehmen den Film “Unschuld der Muslime” nicht gesperrt hatte.

Kuwait

Ein neues Antiterror-Gesetz, das sich an der kürzlich in Saudi-Arabien in Kraft gesetzter Antiterrorismus-Gesetzgebung orientiert, verbietet es “extremistischen religiösen oder intellektuellen Gruppen oder Bewegungen beizutreten, die lokal oder regional als Terroristen eingestuft werden, sie zu unterstützen oder die Sympathie mit ihnen auf irgendeine Art auszudrücken sowie ihnen moralischen oder materiellen Beistand zukommen zu lassen, für sie zu werben oder sie durch Schreiben oder anderswie zu vertreten”.

In den letzten Jahren hat sich das Vorgehen gegen soziale Medien verschärft. Ende 2012 wurde Abdul Aziz Mohamed El Baz, ein ägyptischer Bewohner Kuwaits, vom Dezernat zur Bekämpfung elektronischer Straftaten und Internetkriminalität beschuldigt, ein “Atheist und Ungläubiger” zu sein. Er wurde für Missachtung der Religion und den Versuch, Atheismus über seinen Blog zu verbreiten, angeklagt. Er musste Zwangsarbeit leisten, ein Strafgeld von 270 US-Dollar zahlen und wurde im Februar 2014 nach Ägypten abgeschoben.

Libanon

Im Februar wurde ein Mann verhaftet, der ein Foto auf Facebook hochlud, auf dem er selbst eine Statue der Jungfrau Maria küsste. Ali Itawi kommentierte das Bild und wies darauf hin, die Jungfrau Maria sei “nicht länger Jungfrau”. Das Bild ist ursprünglich bereits 2011 auf dem Account gepostet worden. Präsident Michel Suleiman forderte, “angemessene Maßnahmen” seien gegen Itawi zu ergreifen.

Ebenfalls im Februar wurde der Web-Entwickler Jean Assy zu zwei Monaten Haft verurteilt. Er wurde der Verleumdung und Beleidigung für schuldig befunden, da er im vergangenen Jahr Twitternachrichten veröffentlicht hatte, die angeblich den Präsidenten diffamiert hätten. Assy hatte sich jüngst für die Twitternachrichten entschuldigt und sagte zu Suleiman, die Twitternachrichten würden “sich nicht für Sie oder ihren Posten als Präsidenten gehören und auch nicht für mich als einem libanesischen Bürger, der an Rechtstaatlichkeit glaubt und die Gesetze sowie die libanesische Verfassung achtet.” Suleiman nahm die Entschuldigung an.

Mauretanien

Der mauretanische Journalist Mohamed Cheikh Ould Mohamed muss möglicherweise für einen Artikel, den er am 31. Dezember auf der Nachrichtenseite Aqlame Horra (Freie Schreiber) veröffentlicht hatte, mit der Todesstrafe rechnen. Der Artikel wurde als blasphemisch gegenüber dem Propheten Muhammad eingestuft. Cheikh wurde daher nach Artikel 306 des mauretanischen Strafgesetzbuches der Apostasie angeklagt. Aqlame entfernte später den Beitrag und behauptete, ihn “aus Versehen” veröffentlicht zu haben, ohne dass einer der Redakteure ihn gelesen habe.

Das Komitee zum Schutz von Journalisten sagte, “die Vorwürfe gegen Mohamed Cheikh Ould Mohamed stammen aus der Zeit mittelalterlicher Inquisitionsgerichte” und forderten die sofortige Freilassung des Journalisten.

Vereinigte Arabische Emirate

Sechs Emiratis wurden für Kommentare, die sie auf Twitter gemacht hatten, von Regierungsbehörden ins Gefängnis gesteckt. Khalifa Rabeiah und Othman al-Shehhi wurden am 10. März schuldig befunden, auf Twitter Sicherheitsdienste kritisiert zu haben. Sie wurden zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt und es wurde angeordnet, dass sie – nach mindestens sechs Monaten Inhaftierung an einem unbekannten Ort – Strafgelder zu zahlen haben. Die Behörden der Vereinigten Arabischen Emirate berufen sich dabei auf die Gesetzgebung, die im November 2012 verabschiedet wurde und die den Gebrauch des Internets reguliert, als ein Mittel, jedweden Bürger zu verhaften, der über soziale Medien Sicherheitskräfte kritisiert.

Die Polizei von Abu Dhabi würde gerne den Gebrauch von Internetcafés im Emirat reglementieren. Die möglichen Verordnungen, die dem Schutz der Kinder dienen sollen, könnten die Stundenzahl begrenzen, die Jugendliche Zugang zu Cafés haben.

Marokko

Lakome, die beliebte Seite, die im Oktober gesperrt wurde, nachdem ihr Mitgründer Ali Anouzla wegen Terrorismusverdacht verhaftet worden war, bleibt im Land gesperrt. Anouzla wurde zwar bereits auf Kaution entlassen, muss aber noch am 20. Mai vor dem Untersuchungsrichter erscheinen. Anouzla gab kürzlich bekannt, er plane eine neue Webseite, Lakome2.com.

Sudan

Befürchtungen bezüglich des Schicksals der beiden Aktivisten, die von dem sudanischen Inlandsgeheimdienst und Sicherheitsbehörde “National Intelligence and Security Services” ohne Anklage inhaftiert worden waren, nehmen zu, da Berichten nach einer der beiden gefoltert worden sei. Die beiden Aktivisten, der Journalist und Blogger Taj Aldeen Arjaa und der Universitätsdozent Sidig Noreen Ali Abdalla, werden ohne Zugang zu Rechtsbeistand festgehalten. Ihre Fälle scheinen nicht miteinander in Verbindung zu stehen.

Der Sudan ist eines der zwanzig Länder, die bei dem Jahresbericht “Feinde des Internets” der Reporter ohne Grenzen genannt werden. Der Sudan wurde für die “Einheit für Cyber-Jihadisten” angeführt, die Berichten zufolge damit beauftragt sind, Dissidenten im Internet “niederzuschlagen“.

Palästina

Die palästinensische IT-Branche [Informationstechnologie] steht vor zahlreichen Herausforderungen. Israel weigert sich, Frequenzen der Mobilfunksysteme der dritten Generation (3G) für Mobilfunkanbieter freizugeben. Diese Einschränkung bereitet Unternehmern widerum Schwierigkeiten. Abgesehen von diesen Rückschlägen wächst der Sektor jedoch offensichtlich. In einem Interview mit dem Wall Street Journal erklärt der ehemalige Minister für Telekommunikation und Informationstechnologie Mashhour Abudaka, die Bemühungen des Nahost-Quartetts, die Hindernisse in der Infrastruktur zu überwinden, seien “vollkommen nutzlos”, er sagte aber auch, der Technologiesektor expandiere auf verschiedene Weise.

Die internationale Kampagne “Boycott, Divestment, and Sanctions” [Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen] entwickelt eine neue App [Anwendungssoftware]. Diese Software schafft einen Barcode-Leser, der den Nutzern die Herkunft eines beliebigen Produkts anzeigt. Palästinensische Apps wurden in der Vergangenheit durch den App Store des Unternehmens Apple zensiert.

Katar

Katars beunruhigender Gesetzentwurf zu Internetkriminalität, der 2013 vorgeschlagen wurde, wird weiter vorangebracht, nachdem das Kabinett Berichten zufolge “notwendige Maßnahmen” am Entwurf vorgenommen hatte, um die Kommentierung des Beratungsgremiums der Regierung einzuarbeiten. Nach der Zustimmung durch das Kabinett fehlt nur noch die Unterschrift des Emirs und die Gesetzgebung tritt in Kraft.

Zwei neue Projekte zur Verlegung eines Unterseekabels und eines Internetkabels an Land sollen die Breitband-Konnektivität Katars und eines Teils der Golfregion verbessern, berichtet die Gulf Times. Mehr als 85 Prozent der Bevölkerung Katars nutzt das Internet.

Libyen

In Libyen, wo die Internetversorgung nicht flächendeckend ist und daher der Einsatz von Online-Plattformen zur Massenkommunikation oft nicht effektiv ist, diskutieren Blogger den Verfassungsentwurf und weisen darauf hin, dass er unterschiedliche Bereiche der libyschen Gesellschaft miteinbeziehen müsse. Bislang hat keine vorherige libysche Verfassung die Meinungsfreiheit berücksichtigt.

Saudi-Arabien

Das Sonderstrafgericht in Riad hält das Urteil aufrecht, das gegen den Menschenrechtsaktivisten Mukhlif Al-Shammari (dessen Prozess im März 2013 begann) gefällt wurde wegen Schreibens über Menschenrechtsverletzungen 2009 und 2010 und das Hochladen eines Videos, das Mädchen aus Tabuk zeigte, denen Gewalt angetan wurde. Neben dem zehnjährigen Reiseverbot wurde Al-Shammari zu fünf Jahren Haft verurteilt und ihm wurde verboten, für Zeitungen oder auf Webseiten sozialer Netzwerke zu schreiben. Er wird außerdem daran gehindert, in den Medien zu erscheinen. Drei Jahren des Urteils liegt die Gesetzgebung zu Internetkriminalität zugrunde. Al-Shammari wird innerhalb von 30 Tagen das Urteil vor dem Berufungsgerichtsstand anfechten, das in Riad für Staatssicherheit und Terrorismus zuständig ist.

Im März wurden zwei saudi-arabische Männer, deren Identität bislang nicht bekannt ist, zu acht und zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wurde aufgrund ihrer Aktivitäten auf Twitter und Youtube außerdem verboten, Beiträge in sozialen Medien zu veröffentlichen. Den Männern wurden Vergehen vorgeworfen, wie “Gespött über den König“, “Weiterverbreiten von Protestaufrufen auf Twitter mittels Retweets”, “Kontaktaufnahme [ar] mit Personen, die sich selbst als Reformisten bezeichnen” und “Gebrauch von Webseiten, die feindlich gegenüber der Regierung eingestellt sind und abweichende Ideologien bewerben”.

Reporter ohne Grenzen haben Saudi-Arabien für seine aggressiven Praktiken, Inhalte zu sperren, zu einem “Feind des Internets” erklärt.

Syrien

Am 15. März haben Aktivisten dem dritten Jahrestag des syrischen Aufstandes und dem zweiten Jahrestag der Inhaftierung des syrischen Web-Entwicklers und Aktivisten Bassel Khartabil [de] (auch bekannt als Bassel Safadi) mit der #FreeBassel-Aktion gedacht. Khartabil ist einer von vielen gewaltfreien Aktivisten, die zu Unrecht durch das syrische Regime gefangen genommen wurden. Ein Tag zuvor haben führende Menschenrechtsorganisationen die Kampagne “Free Syria’s Silenced Voices” [Befreit Syriens zum Schweigen gebrachte Stimmen] gestartet, die die Geschichten von Menschenrechtsaktivisten, unabhängiger Journalisten und Mitarbeiter humanitärer Organisationen dokumentiert, die das syrische Regime im Visier hat. Das E-Book [de] “Hinter den Bildschirmen des syrischen Widerstands” ist ebenfalls zu diesem Anlass erschienen. Das Buch von Monique Doppert, einer Medien-Beobachterin und persönlichen Freundin von Khartabil, erzählt die Geschichte von Khartabil, seiner Arbeit als Web-Entwickler und Vertreter von offenem Wissen [sogenanntem Open Knowledge] und beschreibt seine Rolle im syrischen Aufstand.

Wissenschaftler der französischen Firma Inria untersuchten ein Datenleck, das sich 2011 auf den BlueCoat Proxy-Servern der syrischen Regierung auftat und enthüllten damit zum ersten Mal den Umfang und das Ausmaß der Zensurpraktiken des autoritären Regimes. Die 600 Gigabyte Rohdaten, die die Internetaktivisten-Gruppe Telecomix im Rahmen der #OpSyria-Initiative erbeutete, dokumentieren 750 Millionen Anfragen. Die Auswertung legt offen, dass die Regierung nur etwa ein Prozent des Datenverkehrs sperrte, dass aber Zensur sehr zielgerichtet war und Instant Messaging-Software [Software zur sofortigen Nachrichtenübermittlung] wie Skype betraf sowie Schlüsselbegriffe, politische Nachrichtenseiten, Portale, über die Videos geteilt werden können und Technologie, die dazu dient, Zensur zu umgehen. Soziale Medien wurden “geringfügig” zensiert, mit Ausnahme einiger ausgewählter Schlagwörter wie “Proxy” oder “Israel”. Seit der Zeit, zu der diese Daten beschafft wurden, hat die Regierung Berichten nach zusätzlich 500.000 US-Dollar in Überwachungsausrüstung investiert, was nahelegt, dass nun eine “leistungsstärkere Filterarchitektur” installiert ist.

Der jüngste Bericht eines Forschers zum syrischen Bürgerkrieg geht davon aus, dass die Strategien, Inhalte von Facebook herunterzunehmen, dafür verantwortlich zu machen sind, dass ein wesentlicher Teil der Dokumentation des Konflikts verloren gegangen ist. Eine Stichprobe ergab, dass jetzt nicht weniger als 78 Prozent der Originalquellen fehlen. Die Praxis sozialer Netzwerke, dass Nutzer Missbrauch melden können, hat dazu geführt, dass sowohl Opposition als auch Unterstützer der Regierung den Inhalt des jeweils anderen löschen lassen. Im Oktober 2013 gab Facebook bekannt, die Richtlinien zu dem, was als “gewalttätig” oder “umstritten” gelte, überarbeitet zu haben. Kurz danach verschwanden eine Reihe beliebter Aktivisten von der Seite.

Der Bericht “Feinde des Internets” von Reporter ohne Grenzen beschreibt im Detail die Bedrohungen, denen Nutzer des syrischen Internets ausgesetzt sind. Dazu gehören Zensur, Eindringen der Staatssicherheit, Schadprogramme, Hacking, Einschüchterung durch die “Syrian Electronic Army” [Syrische Elektronische Armee, eine Hacker-Gruppe, die die Regierung unterstützt] und die Versuche von jihadistischen Gruppierungen, Inhalte online zu überwachen.

Jemen

Anfang Februar wurde der bekannte jemenitische Blogger Feras Shamsan festgenommen, als er ein Interview bei der internationalen Buchmesse in Kairo gab, angeblich nachdem ein Passant gegen die Antwort seines Interviewpartners Einwand erhob. Shamsan wurde nach 36 Tagen Haft entlassen.

Vertreter jemenitischer Behörden, unter ihnen der Minister für Telekommunikation und Informationstechnologie, trafen ihre ägyptischen Amtskollegen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu diskutieren, die die Internetinfrastruktur im Jemen verbessern soll.

Die jemenitischen Medienbeobachter Freedom Foundation haben ihren Bericht zur Medienfreiheit im Land für das Jahr 2013 vorgestellt. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Verletzungen der Pressefreiheit um etwa 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen sind, dass aber Ermordungen und Entführungen weiterhin eine ernsthafte Bedrohung für Pressevertreter darstellen.

Oman

Circa 80 Prozent aller Haushalte im Oman verfügen über Internetzugang, so ein kürzlich veröffentlichter Bericht. Nur ein Viertel aller Befragten gaben an, Twitter zu gebrauchen und nur 7 Prozent nutzen Blogs. 51 Prozent aller befragten Einwohner des Oman nutzen Youtube.

Bahrain

Ein Mann aus Bahrain wurde für eine Nachricht, die er angeblich mit seinem Mobiltelefon verschickt habe und die eine in der Religion wichtige Persönlichkeit [de] beleidigt habe, zu einem Jahr Haft verurteilt [ar].

Bahrain ist abermals auf der Liste der “Feinde des Internets”, die die Reporter ohne Grenzen aufstellen. Bahrain war bereits 2012 und 2013 auf der Liste aufgetaucht.

In Kürze

  • Die ägyptische Organisation “Association for Freedom of Thought and Expression” [Bündnis für Gedanken- und Ausdrucksfreiheit] hat die zweite Ausgabe der rechtlichen Untersuchung von Freiheit zum Zugang zu Informationen [ar] herausgegeben.

  • Das Online-Bezahlsystem Payfort wird in Kürze ein Programm für Neuunternehmen im Bereich Internethandel auf den Markt bringen, vom dem Unternehmen der Region profitieren werden.

  • Reporter ohne Grenzen haben ihren Jahresbericht Feinde des Internets veröffentlicht, woraufhin Jillian York von der Electronic Frontier Foundation (EFF) darauf hinwies, dass noch mehr Länder diesen Spitznamen verdienten.

  • Die Abstimmung für die Auszeichnung Best of Blogs [de] (die BOBs) beginnt am 2. April.

  • Ein Bericht des Global Attitudes Project von Pew Research legt nah, dass es in Schwellenländern eine starke Unterstützung für ein offenes Internet gibt: Mehr als 80 Prozent der befragten Ägypter und Libanesen sprechen sich für Internetfreiheit aus.

Von unseren Partnern

  • 7iber fragt die Teilnehmenden des Treffens arabischer Blogger 2014: Was ist das schwierigste Thema, das es in euren Ländern anzugehen gilt?

  • Die Electronic Frontier Foundation hat eine überarbeitete Fassung des Berichts Entschlüsselt das Netz veröffentlicht, der offenlegt, welche Unternehmen sich für gute Methoden stark machen, die Nutzersicherheit zu erhöhen.

  • Bei der RightsCon Silicon Valley-Konferenz von Access Now wurde eine Stellungnahme des ägyptischen Bloggers Alaa Abd El Fattah verlesen, der sich zu der Zeit noch in Haft befand. Access gab bekannt, dass die nächste RightsCon im März 2015 in Manila, den Philippinen stattfinden wird.

Demnächst stattfindende Veranstaltungen

  • Der Weltkongress des International Press Institute wird vom 12. bis zum 15. April in Kapstadt, Südafrika ausgerichtet.

  • Die nächste Confab der Freedom Online Coalition wird vom 28. bis 29. April in Tallinn, Estland stattfinden.

  • Das Internationale Journalismusfestival wird vom 30. April bis 4. Mai in Perugia, Italien veranstaltet und Sprecher aus aller Welt werden mitwirken.

  • Das Global Media Forum der Deutschen Welle wird vom 30. Juni bis zum 2. Juli in Bonn, Deutschland stattfinden.

 

Digital Citizen wurde zusammengestellt von Advox, Access, EFF, Social Media Exchange und 7iber.com. Der Bericht diesen Monats wurde recherchiert, zusammengestellt und verfasst von Afef Abrougui, Mohamed ElGohary, Jessica Dheere, Katherine Maher, Mohammed Al-Maskati, Mohamad Najem, Reem Al Masri, Dalia Othman, Jillian C. York und Ellery Roberts Biddle und von Mohamed ElGohary ins Arabische übersetzt.

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