Marokko: Ein Interview mit Rebecca Robinson

Rebecca Robinson macht derzeit ihren Master am Department of Justice and Social Inquiry at Arizona State, die Forschungsprojekte in Marokko durchführen. Ich stieß auf ihr Blog, nachdem ich ihre durchdachten Kommentare in anderen Marokko-Blogs gelesen hatte. Schon bald wollte ich sie interviewen. Sie war so nett, mit mir über Blogoma, die marokkanische Blogosphäre zu reden.

Jilian York: Woher kommt dein Interesse an Marokko, und vor allem an den marokkanischen Blogs?

Meine Faszination am Mittleren Osten entstand mit meinem Bachelor an der San Francisco State in Internationalen Beziehungen, mit einem Schwerpunkt auf dieser Region. Seit ich 19 bin wollte ich immer nach Marokko reisen. Alle Reisenden, die ich in Europa traf, empfahlen mir das Land. Aber ich reiste allein, und am Ende reichte das Geld nicht mehr aus für den Trip. Letztes Jahr habe ich es dann endlich geschafft, und ich liebte die Kultur und die Menschen dort. Ich wollte unbedingt verstehen, warum die PJD und andere islamischen Parteien so beliebt sind. Meine Theorie basiert auf der Armut, der Opposition zur Monarchie, Ablehnung der Trennung von Staat und Kirche, eine anti-westliche Einstellung (besonders wegen der US-Außenpolitik) und Bürgern, die radikalisiert werden, weil sie kaum politischen Einfluss haben. Ich wollte in diesem Sommer wieder nach Marokko  reisen, um Umfragen und Interviews durchzuführen, aber meine Familie konnte die Reise nicht bezahlen, und es gibt kaum gute Stipendien für Abschlussarbeiten. Um es noch komplizierter zu machen, erwarte ich mein zweites Kind im Juli. Ich dachte darüber nach, das Thema zu wechseln, als eine meiner Professorinnen mir Forschung in der Blogosphäre vorschlug. Sie hatte eine vergleichende Studie über die indonesische und iranische Blogosphäre geschrieben, ohne das Land zu verlassen. Das ist nun also die lange Geschichte, warum ich hier bin.

JY: Was ist dein erster Eindruck von den marokkanischen Blogs und Bloggern?

Bislang sehe ich vor allem eine Gruppe von engagierten Menschen, die Veränderung wollen. Ihre Kampagnen zur Rettung von Fouad Mourtada und des marokkanischen Bildungssystems sind bewundernswert. Die Marokkaner sind findige Menschen, und da sie wissen, dass der Weg zu den gewünschten Veränderungen scher und steinig ist, nutzen sie alle ihnen zur Verfügung stehende Mittel, um etwas zu bewegen. Davor habe ich großen Respekt, vor allem in einer Welt, die angesichts des Status Quo apathisch geworden ist. Sie nehmen Einfluss auf die nationalen Medien (sie wurden mehrfach bei telquel-online.com erwähnt), und auch, wenn man noch keine Auswirkungen sehen kann, sie erzeugen Aufmerksamkeit und Widerstand. Die Gemeinschaft ist stark und wächst.

Ich vermute, dass in gewissem Maße Selbstzensur stattfindet (der Fall von Fouad und einige Blogger, die aufgehört haben zu schreiben, bekräftigen diese These), aber dem möchte ich in Interviews auf den Grund gehen. Einige der Blogger sind freundlich auf mich zugegangen, was mich sehr gefreut hat, denn oft ergeht es Soziologen anders. Manche Blogger haben auch ihre Hilfe angeboten, die ich definitiv brauche.

Rebecca Robinson

Rebecca und ihre Tochter genießen den Souk von Marrakech

Was hältst du vom Fall Fouad Mourtada und seiner Bestrafung?

Ich war traurig, aber nicht sonderlich überrascht. Das marokkanische Rechtssystem scheint gnadenlos zu sein. Ich denke, die Blogoma spürt die Auswirkungen der Tragödie – einige Blogger wollen aufhöre, weil sie fürchten die nächsten zu sein. Es fällt mir schwer, diesen Fall zu kommentieren, weil die Inhaftierung so absurd wirkt, zumal Fouad nicht einmal der Reputation des Prinzen geschadet hat (ich habe verschiedene Versionen der Ereignisse gelesen, und manche stellen Fouad in ein skandalöses Licht).

Amerikaner halten die Redefreiheit für selbstverständlich (die Handlungsfreiheit ist beschränkter – immer mehr Rechte schränken die Mittel des friedlichen Protests ein), weshalb ich den Sinn hinter diesem Unglück kaum verstehen kann.Der Zwischenfall zeigt die Vielfalt der Glauben in der Blogoma. Während die Mehrheit der Blogger für seine Freilassung ist, halten manche ihn tatsächlich für einen Verbrecher. Man kann positiv hervorheben, wie solidarisch und schnell die Blogoma reagiert hat.

Vor welchen Herausforderungen steht die Blogoma?

Offensichtlich ist die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Ich vermute, sogar Blogger im Ausland werden Selbstzensur üben, um eine Verfolgung zu verhindern, wenn sie nach Marokko zurückkehren. Auch wenn die Blogger von Medien wahrgenommen werden, bezieht sich das meist auf Dissidenten-Presse. Die Themen der Blogger erreichen also nicht die Menschen, die nicht eh schon mit den Blogger einer Meinung sind. Da das Internet nicht überall verfügbar ist, werden manche Stimmen auch weiterhin marginalisiert werden. Trotz der Zensuprobleme wird Marokko oft als freieste Blogosphäre der Region bezeichnet, ich bin also gespannt zu sehen, wohin es gehen wird, und welche Änderungen erreicht werden.

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