Russia: Fremdenfeindliches Bloggen

Es hat den Anschein, dass es mehr und mehr Beiträge über Fremdenfeindlichkeit in der russischen Blogosphäre gibt – und viele wurden von Xenophoben geschrieben.

Ein aktuelles Beispiel für solche Beiträge liefert holmogors Artikel (rus) vom Silvesterabend in Moskau – bislang wurde er 1,884 mal kommentiert:

 SIE

Heute war ich auf dem Roten Platz.

Ich war schockiert.

SIE waren da.

Nur SIE.

Die verlorenen weißen Gesichter gingen völlig unter.

[…]

SIE schlenderten faul herum, zu sechs oder zusiebt, machten voneinander Fotos mit ihren Handys. Zunächst wollte ich fragen: “Wer hat diesen Aufstand organisiert?”. Aber dann merkte ich, dass niemand ihn organisiert hatte. SIE hatten nur einen freien Tag. Und SIE entschlossen sich, zu dem Platz zu gehen, der IHNEN bekannt war. Es wurde eine regelrechte Flashmob: Hunderte tadshikische, usbekische und kirgisische Gesichter, keine Gruppen junger Männer zwischen 18 und 30.

SIE zeigten nicht die typischen Aggressionen [der kaukasischen Ureinwohner], das war nicht das Problem, aber ihre schiere Menge war sehr beeindruckend…

Ich bekam Angst.

Zum ersten mal hat mich diese Szene auf dem Roten Platz wirklich beängstigt.  Ich weiß, dass SIE essen, leben und arbeiten wollen.

Ich weiß auch, dass vor nicht allzu langer Zeit die Hauptstadt unseres Vaterlandes auch die Hauptstadt IHRES Vaterlandes war. Ich weiß, dass für SIE das neue Jahr beginnt, denn die Uhr des Kremls 12 Schlägt.

Aber…

Wie A. I. Fursov so schön schrieb, “Ja, sie werden unterdrückt, sind hungrig und unglücklich. Aber wenn sie zu uns kommen, werden sie zu gewöhnlichen Dieben. Und wenn wir schwach werden, werden sie unseren Raum und unsere Ressourcen nehmen: Die Schwachen werden geschlagen.”

Dafür braucht es nicht einmal Messer oder Schlagring. Um Raum wegzunehmen, reicht es manchmal, ihn einfach zu besetzen.  Heute habe ich gesehen, wie SIE es getan haben.

Und man sollte nicht vergessen, dass sie es nicht einmal böse meinen.

Was wird morgen geschehen?

***

Es gibt natürlich auch Beträge über Xenophobe und ihre Ängste.

Am 7. Januar schrieb (rus) timur-aliev aus Grozny wie Tschetschenen online wahrgenommen werden:

 1999 war ich zum ersten Mal online. Wie vielleicht die meisten Newbies verfiel ich dem Chatten und ICQ. Ich kann mich erinnern, dass ich viel Zeit bei chat.ru verbracht habe. Alle dort waren mehr oder weniger gleich, mit sehr ähnlichen Nicknames. Ich erinnere mich wohl nur noch an einen: Stasya […] ich frage mich, ob sie heute ein eigenes Blog hat.

Ich kann nicht behaupten, zu jedem freundschaftlich gewesen zu sein, aber das Verhalten war untereinander sicher freundlich genug. Die Leute waren so halb interessiert an Tschetschenien. Aber das Interesse war nicht negativ oder offen aggressiv. Hier eines der Gespräche (um ehrlich zu sein, ich machte mich manchmal darüber lustig, dass sie mich  nicht verstanden, aber am Ende gestand ich natürlich immer, dass ich nur Spaß machte):

- Wo kommst du her?

- Aus Grozny.

- Und wie ist die Lage bei euch?

- Okey. Nur zu heiß. Und es fallen ein paar Schüsse.

- Warum wird geschossen?

- Oh, das kommt aus dem Stadium hier in der nähe. Es wurde ein Tor gemacht.

- Aber warum schießen sie?

- Das sind die Fans. Weil sie sich über das Tor freuen.

- Wow. Hat bei euch jeder eine Maschinenpistole? Auch die Fußballspieler?

- Ja, aber die haben sie in der Umkleide gelassen.

- Hat auch der Schiedsrichter eine Waffe?

- Natürlich. Der braucht die besonders dringend.

- Und hast du eine Waffe?

- Klar, die steht direkt neben meinem Computer.

- Wo bewahrst du die Waffe auf, wenn du schläfst?

- Unter meinem Bett …

- Du tust mir ehrlich Leid …

Und so weiter … Der Punkt ist, dass mehr Sympathie in der Luft hing als Anklage. Und nach den Anschlägen in Volgodonsk und Moskau schrieben mir einige, dass sie nicht glauben konnten, dass das Tschetschenen gewesen waren.

Und heute stoße ich bei LJ auf Menschen, die [sehr wütend] über die Tschetschenen sind. Die Wahrnehmung der Menschen hat sich in den wenigen Jahren seit 1999 geändert.

Es folgt eine Diskussion in den Kommentaren:

reader59:

Das bedeutet nichts. In den acht Jahren hat sich die Gruppe der Russen im Internet verzehnfacht, und der Intelligenzdurchschnitt ist fast proportional gefallen.

timur_aliev:

Aber ich glaube nicht, dass die Intelligenz eines Menschen direkt mit seiner Wahrnehmung anderer Gruppen zusammenhängt.

reader59:

Es ist fast eine wissenschaftliche Wahrheit: Ganz einfache Erklärung: Ein Mensch hat Angst vor dem Unbekannten und Unverständlichen. Je intelligenter ein Mensch ist, desto weniger Dinge, die er nicht versteht. Je höher der Bildungsgrad, desto weniger Dinge, die er nicht weiß. Je gebildeter und intelligenter ein Mensch also ist, desto weniger Phobien hat er. Das gilt auch für Xenophobie.

timur_aliev:

So habe ich auch gedacht … Aber sogar bei LJ gibt es recht gebildete Menschen voller Xenophobie.

reader59:

Ich sprach von der Verbindung von Bildung UND Intelligenz. Keins kommt ohne das andere aus. Eine Dummkopf kannst du es so lange erklären, wie du willst: er wird nicht kleverer werden: Er weiß dann nur mehr.

timur_aliev:

Damit hast du recht.

1 Kommentar

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