Interview mit Cristina Quisbert von Voces Bolivianas

Voces Bolivianas (‘bolivianische Stimmen’) war eines der ersten fünf Bürgermedien-Projekte, die im Juli einen ‘Rising Voices microgrant‘ gewannen. Das zweimonatige Pilotprojekt organisierte unter der Leitung von Mario Duran, Edardo Ávila und Hugo Miranda vier Workshops in einem Internetcafe in El Alto, Bolivien. El Alto ist nicht nur die höchstgelegene Großstadt der Welt , sondern auch für seine indigene Bevölkerungsmehrheit und ihre Rolle im Gaskonflikt 2003. Obwohl  alle ausländischen Besucher über El Alto ins Land kommen, ist die Stadt oft vom Rest des Landes abgeschnitten, on- und offline.

Insgesamt wurde in den Workshops 23 Teilnehmern gezeigt, wie sie bloggen, Fotos hochladen und Videos aufnehmen können. Eine der kontinuierlichsten und klarsten Stimmen, die aus der Gruppe hervorging ist Christina Quisbert, eine Studentin die für Bolivia Indígena schreibt. Sie war so freundlich einem E-Mail-Interview zuzustimmen.

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 Warum hast du dich an Voices Bolivian beteiligt? Wie hast du von dem Projekt erfahren?

Ich habe im Internet von Voces Bolivianas gelesen, als sie die Bloguivianos-Konferenz organisierten. Ich wollte teilnehmen, weil das Projekt einen Raum bietet um unseren Ideen Ausdruck zu verleihen. Es ist, als würde man übers Radio gesendet werden: Man sagt etwas, und überall können die Menschen zuhören.

Was war dein erster Eindruck von Voces Bolivianas und vom Bloggen im allgemeinen?

Ich glaube, dass VB hier Pionierarbeit leistet, wenn sie den Leuten den Zugang zu der virtuellen Welt der Blogs ermöglichen. VB ist für mich wie eine Brücke, die den Kommunikation mit anderen ermöglicht.

Bloggen ist etwas neues, motivierendes, dynamisches, das Grenzen überschreitet und einem viel zurückgibt.  Man kann mit Farben, Fotos und Worten experimentieren – für mich war es überraschend, dass ich ein Blog aufsetzen konnte, Texte schrieben und meine neuen Fähigkeiten dokumentieren. Das hätte ich mir nicht zugetraut.

 Bei VB gibt es mehr Männer als Frauen. Ist bloggen für Männer interessanter?

In den ländlichen Gebieten verlassen die Mädchen zuerst die Schule, es gibt weniger junge Frauen mit abgeschlossener Schulbildung. Es gibt unter den Frauen auch mehr Analphabeten. Diese Unterschiede bleiben beim Zugriff auf Technologien und Onlinemedien bestehen. Ich denke, dass die meisten Frauen in Bolivien noch nichts vom Bloggen gehört haben. Es ist etwas neues, und viele verstehen nicht, was es ihnen für  Vorteile bringt.

Warum nennst du dein Blog Bolivia Indígena (“Indigenes Bolivien”)?

es gibt in Bolivien eine große Vielfalt indigener Gruppen. Die größten Gruppen sind die Aymara, Quechua und Guarani, insgesamt sind es mehr als 30. Nach dem Zensus von 2001 bezeichnen sich 62% der Bolivianer als indigen, bei steigender Tendenz. Für mich ist es wichtig, die Identität unserer Vorfahren zu kennen. Ich denke, Bolivia Indígena gibt die Wirklichkeit in diesem Land wider.

Im ersten Monat scheinst du vor allem über die Stadt El Alto geschrieben, heute ist das Themenspektrum größer. Wie haben sich die Inhalte des Blogs verändert?

Tatsächlich habe ich am Anfang vor allem über den Alltag in El Alto geschrieben. Die Inhaltesind seit dem abwechslungsreicher geworden. Ich schreibe noch immer über die Stadt, aber auch über andere Themen, die mir wichtig sind, etwa über Bolivien und indigene Menschen in anderen Ländern. Zu Beginn dachte ich, das Blog würde einen historischen Fokus haben, aber es stellte sich heraus, dass der Schwerpunkt auf dem Alltagsleben liegt.

Du hast an der Bloguivianos-Konferenz teilgenommen. Welche Eindrücke hast du gesammelt?

Die Konferenz war eine spannende Erfahrung. Vor der Konferenz hatte ich keine Freunde, die etwas von Blogs wussten. Das Treffen mit den anderen , teils erfahrenen Bloggern war voller Überraschungen. Ich traf nationale Blogger wie angelcaido, animaldeciudad, perrorabioso, urbandinos, reciclarte, palabraslibres und tevelision.

 Du warst auch bei einer Konferenz über Frauen in Santa Cruz. Welche Intentionen hatte die Konferenz? Denkst du, dass bloggen ein starkes Werkzeug für Frauen in Bolivien ist?

Im September war das sechste jährliche Treffen Bolivianischer Frauenrechtler in Santa Cruz. Ich fand es wichtig zu wissen, was die Frauen in der Stadt denken. Mit Blogs können Frauen ihre Erfahrungen und ihre Situation mitteilen. Aber man darf nicht vergessen, dass viele kaum Zugang zum Internet haben. Die Möglichkeiten der Kommunikation sind für viele Eingeschränkt, weil es in mittleren und kleinen Städten oft kein Internet gibt.

Was ist deine Motivation, Geschichten über dein Leben und die Gemeinschaft ins Netz zu stellen?

Bloggen ermöglicht es, zu schreiben was man denkt, wie man seine Wirklichkeit lebt. Ich wollte schreiben, um zu zeigen, was unter den indigenen Menschen in Bolivien vorgeht. Es gibt kaum Blogs zu diesem Thema und so sehe ich mich gezwungen, weiter zu machen.

Möchtest du den Lesern von Global Voices noch etwas sagen?

Leser von GV: Ich schreibe aus einer Höhe von über 4000 Metern über dem Meeresspiegel. Wir machen uns von hier aus auf die Reise, damit ihr auf euren virtuellen Streifzügen etwas über uns erfahren könnt.

Das Interview führte David Saski.

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