Bloggerin aus Gaza twittert erschütternden Bericht über ihre Flucht nach Ägypten

Nalan Al-Sarraj

Das Profilbild von Nalan Al-Sarraj auf Twitter.

Im Versuch, die kurze Waffenruhe, die zwischen Israel und der Hamas vereinbart worden war, zu nutzen, verließ eine Gruppe von circa siebzig Palästinensern ihre Häuser und versuchte, über den Grenzübergang von Rafah nach Ägypten durchzukommen, nur um die Grenzposten geschlossen und verlassen vorzufinden, wie der englischsprachige Blog Mondoweiss berichtete. Die Gruppe saß in einer Falle zwischen Ägypten und Gaza, bis zu dem Moment, zu dem Ägypten die Grenze endlich öffnete.

“Wir begannen zu beten und weinten, da wir damit rechneten, jeden Moment sterben zu müssen.”

Meine 23 Jahre alte Bloggerfreundin Nalan Al Sarraj, die auf Englisch über Twitter von ihrem Leben in Gaza berichtet, war unter denen, die versucht hatten, zu entkommen. Als Tochter einer libyschen Staatsbürgerin hatte sie gehofft, mit einigen anderen Ausländern nach Ägypten fliehen zu können.

In einem Gespräch mit dem Blogger Dan Cohen von Mondoweiss und Lia Tarachansky von The Real News Network beschreibt sie die Situation folgendermaßen:

The situation over here is very scary. We’re more than 70 people, mostly women and children, and mostly they have foreign passports, half of which are Egyptian. I can see smoke and fire, and we can see the explosions very close to where we are. Israel has declared Rafah a closed area so we can’t even get out of this place.

Die Situation hier ist sehr beängstigend. Wir sind über siebzig Menschen, vor allem Frauen und Kinder, die meisten von uns haben einen ausländischen Pass, die Hälfte davon einen ägyptischen. Ich kann Rauch und Feuer sehen und wir sehen auch, dass die Explosionen in unserer Nähe sind. Israel hat Rafah als geschlossen erklärt, wir kommen hier also nicht einmal mehr raus.

Die israelischen Streitkräfte begannen mit einer heftigen Bombardierung auf Rafah und nahmen dabei auch ein Krankenhaus unter Beschuss, neunzig Minuten, nachdem eine für die Dauer von 72 Stunden angekündigte humanitäre Feuerpause für Gaza eingesetzt hatte, von der Al Jazeera English berichtete. In Rafah wurden dabei siebzig Palästinenser getötet und hunderte Menschen verletzt, so dass die Opferzahl in Gaza jetzt 1.511 Menschen beträgt, darunter 330 Kinder.

Es folgen die Twitternachrichten, die Nalan abschickte, sobald sie die ägyptische Grenze mit ihrer Mutter, der Schwester und einem Freund erreicht hatte:

Ich habe heute das entsetzlichste Erlebnis meines Lebens gehabt.

Ich war auf dem Weg nach Ägypten mit meiner Mutter (Ausländerin) und Kayal Al Sarraj [die Schwester] und Deem Meshal und wir wuden dazwischen eingeschlossen.

Die Luftangriffe und der Granatenbeschuss waren so nah, dass wir anfingen, zu beten und zu weinen, da wir damit rechneten, jeden Moment sterben zu müssen.

Wir waren von jeder Verbindung abgeschlossen, ein offenes Gebiet zwischen den beiden Grenzposten, dem palästinensischen und dem ägyptischen.

Der ägyptische Grenzübergang wurde aufgrund der massiven israelischen Angriffe auf das Gebiet geschlossen und es war viel zu gefährlich, zurück nach Rafah zu gehen.

Wir steckten in der Falle, über uns Feuer und Luftangriffe. Wir waren circa 120 Reisende. Meist Ausländer. Wir riefen den ganzen Tag um Hilfe.

Heute rufe ich die Welt dazu auf, gegen das unmenschliche System zu revoltieren. Ich bitte euch, euch eurer Humanität zu entsinnen und Israel zu stoppen.

Während all dem mussten wir zu Fuß von der palästinensischen Grenze wegrennen, da wir darüber informiert worden waren, dass es jeden Moment unter Beschuss geraten könne.

Wir rannten, weinten, drückten irgendein Kind an uns, das geschützt werden konnte. Wir bewegten uns in [großer] Zahl Richtung der ägyptischen Grenze. Wir fanden sie geräumt vor.

Das Grauen, das wir erlebten! Wir kamen so weit, dass wir uns untereinander festhielten und beteten und dabei den nächsten Luftangriff über uns erwarteten.

Rafah durchleidet das, was Sheja'a und Khoza'a zuvor durchlitten! Ein Genozid. Über 100 Märtyrer an weniger als einem Tag.

Nalan kann jetzt hoffentlich etwas Ruhe finden, einen Luxus, den sich die Mehrheit der Bewohner von Gaza nicht leisten kann.

Die Ägypter haben endlich ihre Grenze geöffnet. Wir werden heute Nacht bei ihrem Grenzposten schlafen. Sicherer als zuvor.

Seitdem Israel die massive Offensive auf den 40 Kilometer langen Küstenstreifen am 8. Juli begonnen hat, wurden mehr als 6.780 Menschen verletzt. Israel bombardiert Schulen, Spielplätze, Krankenhäuser, Notunterkünfte und Flüchtlingslager und 75 Prozent der Getöteten sind Zivilisten. Am 28. Juli griff Israel das einzige Elektrizitätswerk von Gaza an und der umkämpfte Streifen und die dort 1,8 Millionen lebenden Menschen waren von Finsternis umgeben. Die Bombardierung von Wohngebieten durch israelische Streitkräfte führt dazu, dass zehntausende Menschen obdachlos geworden sind und in provisorisch eingerichteten Notunterkünften unterkommen müssen.

Das ist Israels dritte militärische Operation in Gaza innerhalb von sechs Jahren. Unverhältnismäßige Restriktionen von Seiten Israels für die palästinensischen Gebiete Gaza und Westbank sind der Grund dafür, dass die meisten Staaten und die Vereinten Nationen bei diesem Gebiet von einer Besatzung sprechen.

Weitere Informationen und deutschsprachige Berichterstattung gibt es in unserem Dossier “Angriffe auf Gaza 2014“.

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