Gefangenschaft für den spanischen Soldaten, dessen Buch die Korruption innerhalb der spanischen Armee enthüllt

El teniente Luis Gonzalo Segura en el vídeo de presentación del libro. Foto de la página de «Un paso al frente» en Facebook

Der Oberleutnant Luis Gonzalo Segura im Video, in dem er sein Buch vorstellt. Foto der Facebookseite seines Buches “Un paso al frente”.

Weil er es müde ist, die Korruption aller Art innerhalb der Armeeführung zu beobachten, hat Luis Gonzalo Segura, ein Oberleutnant des spanischen Heers, nach fast zwölf Jahren Dienst Tatsachen öffentlich angeprangert, von denen die meisten Spanier nichts wissen. Infolgedessen wurde er zu zwei Monaten Haft in einem Militärgefängnis verurteilt und er könnte aus der Armee ausgeschlossen werden.

Luis Segura hat ein Buch geschrieben, “Un paso al frente“, in dem er in Form eines Romans die Veruntreuungen beschreibt, die scheinbar innerhalb der so undurchsichtigen Armee betrieben werden. 

In einem Interview für die spanischsprachige Internetseite La Marea sagte er: 

Desde que se suprime el servicio militar hay un corte de flujo de información desde el mundo militar al exterior. (…) Al no tener libertad de expresión los militares, ese flujo todavía se corta de forma más radical, de tal forma que al final, a día de hoy, las fuerzas armadas son un estado paralelo y completamente estanco a resto de la sociedad.

Seit es den Militärdienst nicht mehr gibt, gelangen zu wenige Informationen über das Militär in die Gesellschaft. (…) Dadurch, dass Soldaten keine Meinungsfreiheit genießen, gelangen noch weniger Informationen in die Gesellschaft, sodass heutzutage das Militär eine Parallelwelt darstellt, aus der nichts in die zivile Gesellschaft eindringt.

Portada de la 6ª edición del libro. Foto de la página de «Un paso al frente» en Facebook

Umschlagbild der 6. Auflage des Buches. Foto der Facebookseite von “Un paso al frente”.

Im Jahre 2010 hatte man Herrn Segura damit beauftragt, ein Inventar des Informatikmaterials zu erstellen. Dabei hat er, wie er selber sagt, eine mangelnde Übereinstimmung (25 bis 35 Prozent) in Millionenhöhe festgestellt. Der junge Soldat versuchte, dieses Problem der Militärjustiz vorzulegen. Aber der Richter und der Staatsanwalt schlossen den Fall, ohne sich auch nur die von Herrn Segura auf einer Festplatte gespeicherten Informationen anzusehen, die er den Justizbeamten zur Verfügung gestellt hatte. 

Laut der spanischsprachigen Internetseite Vozpópuli “nennt der Oberleutnant in seinem Buch mutmaßliche Veruntreuungen, Rechtsbeugungen, Fahrlässigkeiten, verfälschte Aufträge, Schwindel in den Bereichen Kraftstoff und Lebensmittel, Materialverkäufe im Internet sowie Ferienwohnungen, Golfclubs, Thermen und VIP-Säle”. Bei der Vorstellung seines Buches in Huesca behauptete der Oberleutnant, dass all diese Exzesse die spanische Armee in eine sehr schlechte Wirtschaftslage versetzt hätten:

Los datos económicos de la institución militar que, según afirma, tiene una deuda de 29.000 millones de euros y destina el 77% de sus 6.000 millones de presupuesto anual a personal, evidencian, por otra parte, que el Ejército es “un modelo anticuado y obsoleto, e insostenible a nivel económico”.

Die Wirtschaftsdaten der Institution, die laut Luiz Gonzalo Segura 29 Milliarden Euro Schulden hat und 77 Prozent ihres Jahresbudgets (6 Milliarden Euro) an Personalkosten ausgibt, zeigen außerdem, dass das Militär auf ein “altmodisches und veraltetes Modell basiert, das wirtschaftlich nicht haltbar ist.”

Zu dieser Verschwendung öffentlicher Gelder käme noch die “Makrozephalie” der Armee hinzu, die Segura in einem Interview erläutert, das der spanischsprachigen Internetseite Barrio Canino gewidmet ist:

Hay un excedente de mandos enorme. De hecho, ahora mismo uno de los problemas que tenemos es que hay 42 000 soldados, a los que se les trata como a perros, y con contratos basura (…) y tenemos 52 000 mandos (…) cualquiera que tenga dos dedos de frente se da cuenta de que esto es insostenible.

Es gibt viel zu viele Führungskräfte. Tatsächlich ist aktuell eines der größten militärinternen Probleme, dass 42.000 Soldaten, die wie Dreck behandelt werden und miserable Verträge haben, 52.000 Befehlshabern unterstehen. Da braucht man keine große Leuchte sein, um zu erkennen, dass das unhaltbar ist.

Und auf dem spanischsprachigen Internetportal Periodista Digital fasst er es so zusammen:

Lamentablemente en España muchos cargos son heredados en el ejército. Tenemos 270 generales y con veinte sería suficiente; tenemos 1050 coroneles y con 50 sería suficiente. Esto evidencia el excedente de oficiales como ejemplo de cómo la cúpula militar se mueve buscando su propio interés.

Leider sind in Spanien viele Posten innerhalb der Armee vererbt. Wir haben 270 Generäle und 20 würden ausreichen, wir haben 1050 Oberste, 50 wären genug. Dies verdeutlicht den Überfluss an Offizieren, ein Beispiel dafür, dass die Führung der spanischen Armee ihr eigenes Interesse verfolgt.

Als Grund für die Korruption innerhalb des Militärs nennt Luis Gonzalo Segura die Straffreiheit, die innerhalb der Armee herrscht, zu dessen Führungsetage die Justiz mitsamt der Polizei und der Richter gehört.

(…) ha habido una especie de pacto entre los dirigentes de la sociedad civil y los del mundo militar por el que nadie se quería meter en el terreno de nadie. Aunque pudo tener un sentido hasta el año 90 por el riesgo del golpe de Estado, a día de hoy no se entiende que se siga sosteniendo

(…) Es gibt eine Art Pakt zwischen Staatsmännern und den Führungskräften des Militärwesens, wodurch keiner sich in die Angelegenheiten des anderen einmischt. Auch wenn dies bis Anfang der 90er Jahre sinnvoll erscheinen konnte, weil ein Staatsstreich drohte, ist es jedoch unverständlich, dass dieses Prinzip noch weiterhin gilt.

Außerdem behauptet Herr Segura auf der spanischsprachigen Internetseite La Marea, dass auch die Soldaten selber in die Korruption hineingeraten, denn es gäbe “ein falsches Verständnis der Loyalität. Man ist eher dem Kollegen loyal als dem Staat, der Institution und den Bürgern.” Laut der ebenfalls spanischsprachigen Internetseite nuevatribuna.es beschränkt der Oberleutnant sich nicht nur darauf, zu kritisieren, sondern er bietet auch Lösungen:

En su novela, eleva una carta al Ministro de Defensa, sugiriéndole hasta 19 medidas, «que harían del ejército una institución más justa y honorable». El problema de las fuerzas armadas, no es solo estructural, «están enfermas y necesitan ser regeneradas», dice el teniente.

In seinem Buch findet man ein Schreiben am Innenminister, in dem der Oberleutnant 19 Maßnahmen vorschlägt, “die aus der Armee eine gerechtere und ehrenwertere Institution machen würden”. Das Problem der Streitkräfte sei nicht nur ein strukturelles, sondern sie seien in gewisser Art “krank und müssen sich erholen”.

Segura en la presentación del libro en la tienda FNAC, Madrid. Foto de la página de «Un paso al frente» en Facebook.

Luis Gonzalo Segura bei der Vorstellung seines Buches in dem Geschäft FNAC in Madrid. Foto der Facebookseite von «Un paso al frente».

Einige seiner Aussagen während der Interviews zur Vorstellung seines Buches hatten die Eröffnung eines Disziplinarverfahrens motiviert. Infolgedessen wurde Luis Gonzalo Segura zu zwei Monaten Haft verurteilt. Er sitzt seit dem 18. Juli im Militärgefängnis Colmenar Viejo in Madrid. Gegen den Soldaten, der seit einigen Monaten keine Funktion mehr ausübt, wurde außerdem ein weiteres Ordnungsverfahren eröffnet, das seinen Ausschluss aus den spanischen Streitkräften herbeiführen könnte.

Diese Sanktionen, die ihm zugefügt wurden, weil er in den Medien die militärische Führung kritisiert hat, sind ein Beweis dafür, dass Soldaten keine Meinungsfreiheit genießen, da sie bestraft werden können, wenn sie dieses unabdingbare Recht der Meinungsfreiheit ausüben. Dies ist möglich wegen eines Vorbehalts der spanischen Regierung bezüglich der Artikel 5 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Außerdem habe laut eldiario.es in Quartieren in Zaragossa, Valencia, Cordoba und Kanarien eine “fürchterliche Jagd” stattgefunden, bei der “Kollegen heftig bedroht wurden. Ihnen wurde sogar mit einem Ausschluss aus der Armee und mit Haftstrafen gedroht, falls sie der Vorstellung des Buches beisitzen, das Buch kaufen oder davon reden.”

Der Noch-Oberleutnant hat diesen Sommer 22 Tage lang nichts gegessen, um gegen die “Lynchjustiz” zu protestieren, die ihm die militärischen Instanzen aufzwingen. Den Hungerstreik hatte er aus gesundheitlichen Gründen beendet. Sein Buch verkauft sich inzwischen sehr gut. Seit der Veröffentlichung am 21. April wurden 20.000 Exemplare verkauft und es gibt schon bald die siebte Auflage des Buches. Auf der spanischsprachigen Internetseite des Verlegers (Tropo Editores) kann man das erste Kapitel des Buches lesen.

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