Afghanistan: “Mein Stimmzettel ist die beste Waffe, die Taliban zu bekämpfen”

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Weniger als eine Woche vor der allerersten demokratischen Machtübergabe in Afghanistan, hat die Gewalt im Land dramatisch zugenommen. Täglich kommt es zu Explosionen und Schießereien. Dutzende Menschen sind bereits bei diesen Angriffen umgekommen. Die Aufständischen der Taliban haben sich geschworen, die Präsidentschafts- und die Provinzratswahlen am 5. April zum Scheitern zu bringen und planen Sprengstoffattentate und Ermordungen.

Am 29. März wurde das Hauptquartier der unabhängigen Wahlkommission Afghanistans [auf Englisch “Independent Election Commission”, im Folgenden abgekürzt IEC] in Kabul von vier Taliban angegriffen. Die Aufständischen wurden dabei alle erschossen. Am 28. März wurde das Gästehaus der amerikanischen Organisation “Roots of Peace” [Friedenswurzeln] von Taliban gestürmt. Dabei kam ein Kind ums Leben. In einem weiteren Attentat auf das Hotel Serena in Kabul am 21. März wurden neun Menschen getötet, darunter der AFP-Journalist Sardar Ahmad sowie ein Wahlbeobachter.

Entgegen der ständigen Besorgnis aufgrund der Anschläge durch die Aufständischen, führen Afghanen ihr normales Leben weiter:

Trotz eines fünf Stunden andauernden Kampfes und des Angriffs auf die IEC strahlt Kabul und das Leben bleibt normal.

Voting in the 2005 parliamentary elections was relatively untroubled. This time there is more at stake and the security environment is weaker. (Wikimedia commons)

Die Abstimmung zur Parlamentswahl 2005 verlief relativ ungestört. Aber dieses Mal geht es um mehr und das Sicherheitsumfeld ist schwächer. Wikimedia Commons.

Massood Sanjer twittert:

Zwei Attentate zur selben Zeit. Kabul und Kunar. Die Filiale der Kabul Bank in Kunar und das Büro der IEC in Kabul. Schußwechsel dauern an.

LT. Mustafa Kazemi zitiert den Neffen von Sardar Ahmad:

Sardar Ahmads Neffe: “Ich habe keine Nachricht an die Taliban. Man kann nur mit Menschen kommunizieren, nicht mit Tieren.”

Die afghanische Journalistin Lina Rozbih-Haidari empört sich über den Angriff auf das Gästehaus am Freitag und schreibt auf ihrer offiziellen Facebook-Seite:

Wenn sich die Taliban zu Terrorakten bekennen, begründen sie das damit, dass sie es auf Ausländer abgesehen haben. Als ich mir die Bilder des Anschlags von heute angeschaut habe, habe ich diese Ausländer gesehen, darunter unbewaffnete Frauen und Kinder, die größtenteils für humanitäre Organisationen arbeiten und mit ihren Familien in diesem Gästehaus leben.
Das ist der Jihad der Taliban: Auf unbewaffnete afghanische und ausländische Frauen und Kinder in Hotels, Wahllokalen, Basaren, Schulen, Moscheen zu zielen, während sie beten, während sie arbeiten…
Können Kriege feiger geführt werden? Wohl wahr, Afghanistan ist in die Hände eines heuchlerischen, schwachen, unmoralischen und irrationalen Feindes gefallen. Sie nennen es Islam. Seid tapfer genug und kämpft tapfer! Nicht feige, indem ihr unschuldige und wehrlose Frauen, Männer und Kinder tötet.

Emma Graham-Harrison, die Korrespondentin des Guardian für Afghanistan, twitterte nach dem Angriff auf das Büro der unabhängigen Wahlkommission:

Das Hauptquartier der afghanischen Wahlkommission wird angegriffen, berichtet ihr Sprecher aus dem Inneren des Schutzraums. Das vierte Attentat in Kabul innerhalb von zehn Tagen.

Marzia Faraz äußert ihre Besorgnis bezüglich zukünftiger Anschlagsziele der Taliban:

Zuerst die internationalen Beobachter im Hotel Serena, dann das regionale Büro der IEC, Ausländer im Gästehaus, nun das Hauptquartier der IEC, was ist das nächste Ziel?

Eine weitere wütende Twitternachricht betrifft das Attentat auf das Hotel Serena:

Karzai, die nationale Sicherheitsdirektion und die Sicherheitskräfte des Serenas in Kabul müssen wegen der Ermordung Sardar Ahmads Rede und Antwort stehen… Die Schreie seiner Familie sind immer noch in meinem Kopf.

In der Vergangenheit waren die afghanischen Wahlen primär davon geprägt, dass allgemein in der Öffentlichkeit ein politisches Bewusstsein fehlte. Die jetzige Wahlkampagne unterscheidet sich davon deutlich: Die Kandidaten versuchen aktiv, die Bürger zu erreichen, reisen in verschiedene Provinzen, um mit einer vielfältigen und weit verstreuten Wählerschaft in Kontakt zu kommen. Die Wahlplakate der Kandidaten hängen im ganzen Land und ihre Debatten wurden von Millionen von Afghanen im Fernsehen gesehen. Der Unsicherheit und der eindeutigen Möglichkeit des Wahlbetrugs zum Trotz, sind Afghanen begeistert davon, sich in eine Wahl einbringen zu können, die wirklich auf einem Wettbewerb beruht. Ahmad Shuja hat über Twitter ein Foto hochgeladen, auf dem Menschen in einer langen Schlange anstehen, um ihre Wahlkarte zu erhalten.

Die Polizei versucht, die Überzahl der sich für eine Wahlkarte einschreibenden Personen wegzuschicken, aber die Menschen sind nicht bereit, ohne ihre Wahlkarte zu gehen.

Der afghanische Journalist Farzad Lami bezieht sich auf die jüngste Studie der Stiftung Free and Fair Election Foundation of Afghanistan [Stiftung für eine freie und gleiche Wahl] und twitterte:

Trotz der Sicherheitsbedenken wollen 75% der Afghanen an den Präsidentschaftswahlen teilnehmen, die für den 5. April vorgesehen sind, so eine neue Studie.

Lotfullah Najafizadas zitiert einen Erstwähler:

“Meine beste Waffe, die Taliban zu bekämpfen, ist meine Wahlkarte”, sagt der Erstwähler Ahmad und ruft alle Afghanen dazu auf, sich jetzt mit Wahlkarten zu bewaffnen.

Marshal Öljaitü twittert:

Kabul: Fünf Anschläge in acht Tagen. Verzweifelte Taliban. Eine hohe Wahlbeteiligung bei den afghanischen Wahlen wird das Urteil der Öffentlichkeit gegen die Taliban sein.

Einige Kandidaten verleihen ihrer Besorgnis aufgrund der Attentate der Aufständischen und den kommenden Wahlen Ausdruck. Der Präsidentschaftskandidat Ashraf Ghani Ahmadzai twittert:

Wir verurteilen die Terrorattentate auf Zivilisten. Es gibt uns umso mehr Gründe, noch härter an einer besseren und friedlichen Zukunft für Afghanen zu arbeiten.

In seiner Twitternachricht geht Abdul Rashid Dostum, der für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert, davon aus, dass die Wahlen erfolgreich sein werden, da die Afghanen stark daran glauben.

Die Feinde des afghanischen Volkes werden mit ihrem unheilvollen Tun keinen Erfolg haben. Die Menschen engagieren sich für die Wahlen.

Das Wahlkampfteam um Zalmai Rassoul verurteilt die Anschläge über Twitter:

Wir verurteilen scharf das Attentat der Aufständischen auf das Hotel Serena in Kabul gestern und die heutige Explosion im Distrikt Khakrez der Provinz Kandahar.

Afghanistans Amtsinhaber Hamid Karzai, am Ende seiner Regierungsperiode, weigert sich, vor den Wahlen ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit den USA zu unterzeichnen. Bislang stellt die Sicherheitssituation im Innern einen wenig verheißungsvollen Hintergrund für diese entscheidenden Wahlen dar. Unter den jüngsten Opfern der Taliban befinden sich ein Kandidat der Provinzratswahlen, ein ausländischer Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation sowie Angestellte der landesweiten Büros der Wahlkommission.

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