Japans nächste Wahlkampagne wird getwittert, gebloggt und gemailt

Japan hat einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der es politischen Kandidaten erlaubt während ihrer Wahlkampagne zu twittern, zu bloggen und online für sich zu werben. [en]

Noch bis letzte Woche mussten japanische Wahlkandidaten sehr vorsichtig mit ihren Facebook-Seiten, Twitter-Konten und Blogs umgehen, um nicht gegen das strenge Wahlgesetz des Landes zu verstoßen, das politische Aktivitäten im Netz verbot. [en]

Das überarbeitete Wahlgesetz ging am 19. April 2013 durch beide Abgeordnetenhäuser und erlaubt den Kandidaten, soziale Netzwerke und andere Internetseiten zu nutzen, um ihren Meinungen Ausdruck zu verleihen und ihre Wähler zu erreichen.

Die Auswirkung dieses Gesetzesentwurfs wird man im Juli während der Wahl für das Oberhaus erkennen können.

Junge Aktivisten und Menschen, die etwas verändern wollen arbeiteten hinter den Kulissen daran, das japanische Wahlgesetz umzugestalten. Kensuke Harada ist einer der Gründer der One Voice Campaign [ja], die die Online-Wahlkampagne befürwortet. Er schrieb [ja] auf Facebook:

Endlich ist das Verbot von Online-Wahlkampagnen aufgehoben worden! Wir als One Voice Campaign haben daran seit April [2012] gearbeitet. Das ist die Streitfrage, an der unsere Älteren seit Jahren gearbeitet haben. Aber im April letzten Jahres hat noch niemand davon gesprochen, weder die Politiker noch die Öffentlichkeit.

Dennoch wollte ich Veränderung. Ich dachte, es würde definitiv Spaß machen, wenn jeder von uns zusammenarbeiten würde, um etwas im Gesetz zu bewirken. Mit dieser Leidenschaft kamen verschiedene Menschen zusammen zur One Voice-Gruppe und gestalteten sie zu dem, was wir heute sind. Ich bin den Leuten dankbar, die keine Mitglieder sind, uns aber trotzdem stark unterstützt haben.

[…]

Ich weiß nicht, wie viel Einfluss wir auf die Annahme des Gesetzesentwurf hatten, aber ich kann sagen, dass wir etwas dazu beigetragen haben. Mit den Stimmen jedes Einzelnen von uns kann man Politik ändern! Du kannst etwas verändern!

Image of Japanese Diet: Photo by flickr user  By Dick Thomas Johnson under Creative Commons License BY-2.0-Deed

Ein Foto des japanischen Parlaments: Foto von flickr-User
Dick Thomas Johnson, CCL BY-2.0-Deed

Diese Änderung soll Japans Jugend wieder zum Wählen motivieren, indem jungen Menschen, die sich von alten Medien wie der Zeitung abgewandt haben, eine Möglichkeit gegeben wird, sich im Internet politisch zu informieren.

Gerade einmal 37,89 Prozent der Wählerschaft von 20 bis 29 Jahren machten während der Parlamentswahl im Dezember 2012 von ihrem Recht zu wählen Gebrauch. Damit fiel die Prozentzahl der gesamten Wahlbeteiligung auf ein Rekordtief seit dem Krieg von 59,3 Prozent.

Jedoch wird der Online-Wahlkampf nicht völlig ungebunden sein. Es gibt sowohl für die Kandidaten als auch für die Wähler Regeln und Einschränkungen.

Eine Besorgnis ist Identitätsbetrug; wenn man Identitäten fälscht und schädliche Nachrichten verbreitet, kann dies zu bis zu zwei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe von ca. 3000 Dollar (ca. 2300 Euro) führen. [en]

Internetdienstanbieter (IDA) besitzen die Befugnis, böswillige Kommentare zu löschen, soweit Nutzer nicht innerhalb von zwei Tagen vertretbare Gründe vorweisen können.

GMO GlobalSign, ein Zertifizierungsunternehmen für Internetsicherheit, kündigte an [en], dass sie einen Online-Überprüfungsdienst für Parteien anbieten würden. Die Liberal-Demokratische Partei Japans kündigte [ja] ebenfalls ihren Plan an, den Gebrauch von Extended-Validation-Zertifikaten auf Internetseiten einzelner Politiker auszuweiten. Sie begrüßten 2011 das beliebte Verisign-Zertifikat auf ihrer offiziellen Internetseite.

Musikblogger und Twitternutzer Yamada (@wms) ist besorgt [ja], dass Pseudonyme, die sehr üblich in sozialen Netzwerken sind, Nutzer in Schwierigkeiten bringen könnten:

@wms:ネット選挙でSNSを利用した活動を全面的に認める代わりに、偽名による発言などは逮捕につながるという記事があったので、実名以外のアカウントで政治的発言するのはかなり危険性が高い時代になったと思われ。

@wms: Einigen Quellen nach zu urteilen, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer verhaftet werden, weil sie politische Kommentare unter einem Pseudonym gepostet haben. Auch wenn soziale Medien jetzt vollkommen akzeptabel für Online-Wahlkämpfe sind, denke ich trotzdem, dass es gefährlich sein kann, politische Kommentare zu posten, wenn man nicht ein Konto mit seinem richtigen Namen benutzt.

Eine andere Angelegenheit ist die Werbung im Internet. Muto Nobuki, ein Twitter-Nutzer, der in der Nachrichten- und Werbebranche arbeitet, twittert:

@mutonobuki:ネットという新市場が生まれるので、政党間で不安心理が起こりネット広告に資金流入するでしょう。ただ、政党も予算あるので削られる媒体出ますね。

@mutonobuki: Jetzt, wo ein neuer Markt online gegangen ist, sind Parteien besorgt, wenn sie keine Internetwerbung machen. Es ist wahrscheinlich, dass sie viel Geld in das Internet stecken. Aber sie haben nur ein begrenztes Budget, sodass bestimmte Medien Werbeeinkünfte verlieren werden.

Kalaiyo, ein Unterstützer der Liberal-Demokratischen Partei, die unter der konservativen Wählerschaft beliebt ist, beklagt, dass das überarbeitete Gesetz den Parteien ermöglicht, so viel Online-Werbung zu kaufen, wie sie wollen. Jedoch lässt es Maßnahmen für unabhängige Kandidaten aus:

@kalaiyo政党制である日本において無所属が不利なのは当たり前だが、無所属だけ広告出すの禁止というのは確かに変かな。

@kalaiyo: Politische Aktivitäten in Japan basieren auf dem Parteiensystem. Daher sind unabhängige Kandidaten, die keiner Partei angehören, häufig im Nachteil. Trotzdem ist es irgendwie merkwürdig, dass [das Gesetz] Unabhängigen das Platzieren von Online-Werbung verbietet.

Ryosuke Nishida, ein Forscher und Professor für soziales Unternehmertum und öffentliche Politik schreibt in seinem Blog [ja]:

いろいろ言われているけれど、ネット選挙解禁は出発点というのが筆者の認識。国民が政治にもっとも関心をもつと思われる選挙運動期間にITの利活用を認めると、政治家は適応すべく、中長期でITへの理解を改善するだろう。そうすると、電子政府や電子自治体、通信と放送のあり方等々いろいろなところに波及する可能性を秘めている。

Ich denke, dass die Zulassung von Online-Wahlkampagnen ein guter Anfang ist. Die Bürger achten so mehr auf die Politik während der Wahlkämpfe. Indem sie Informationstechnologie benutzen, gewinnen Politiker mittel- bis langfristig ein besseres Verständnis für IT, während sie gleichzeitig lernen, sich den neusten Technologien anzupassen: dies wird unter Umständen zum E-Government und [zur Verflechtung von] Kommunikation und Rundfunk führen.

Ein weiterer Twitter-Nutzer schreibt über die Ironie, dass das neue Gesetz angenommen wurde während die Abgeordneten unfähig waren, den verfassungswidrigen Zustand des japanischen Wahlvorgangs wegen Wahlungleichheit [en] zu lösen:

@gankuma_:定数是正(違憲)問題が遅々として改善されないのに選挙活動のネット解禁はあっさり決まるあたりに先生方のやる気の差が透けて見えるなとか思ってても言うよ。

@gankuma_: Lasst mich laut denken – der Gesetzesvorschlag zur Online-Kampagne wurde schnell angenommen während die Abgeordneten weniger Motivation an den Tag legen, das Problem mit unseren verfassungswidrigen Wahlen zu lösen.

Thumbnail-Foto von flickr-User 7_70 CCL BY-NC-ND 2.0

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