Stadien contra Schulen: die falsch gesetzten Prioritäten in der Slowakei

Als Ende 2012 landesweit Tausende slowakische Lehrer in den Streik traten und 10 Pozent mehr Gehalt forderten, bekamen sie letztendlich nur etwa fünf Prozent – zusammen mit einer Erklärung des Bildungsministers, dass “wenn Geld in der Staatskasse wäre, die Lehrer sogar 20 Prozent bekommen würden”.

Bratislava, Slowakei (Nov. 2012): Eine Lehrerin läutet eine Glocke gegen niedrige Gehälter. Foto von Martina STRMEŇOVÁ, copyright © Demotix (26/11/12).

Bratislava, Slowakei (Nov. 2012): Eine Lehrerin läutet eine Glocke gegen niedrige Gehälter. Foto von Martina STRMEŇOVÁ, Copyright © Demotix (26/11/12).

Derselbe Minister – Dušan Čaplovič – gibt nur ein paar Monate später Pläne [sk] bekannt, 45 Millionen Euro (4,5 Millionen Euro jährlich über eine Spanne von 10 Jahren) für den Bau neuer Fußballstadien für die 1. Liga im ganzen Land auszugeben. Diese Summe, die den Bau des neuen Nationalstadions in der Hauptstadt Bratislava nicht mit abdeckt, ist geringer als die Summe, die die Gehaltserhöhung für die Lehrer in nur einem Jahr gekostet hätte. Trotzdem sind die Lehrer enttäuscht, und zwar nicht nur wegen ihrer eigenen niedrigen Gehälter, sondern auch wegen der generell nicht ausreichenden Bildungsfinanzierung des Landes.

Ein Banner an einem Schulgebäude in der Slowakei sagt:

Ein Banner an einem Schulgebäude in der Slowakei sagt: “Die Würde eines Lehrers = Die Zukunft dieses Landes.” Foto von Igor Svítok, Copyright © Demotix (22/11/12).

Einige Menschen in der Slowakei vermuten den Grund für solch falsch gesetzte Prioritäten in der mutmaßlichen Verwicklung der Sponsoren der regierenden Partei in Fußball und Bauindustrie. Der Bildungsminister spricht dagegen von den geplanten Stadienneubauten als einer strategischen Entscheidung zur Förderung der jungen Generation.

Der bereits oben verlinkte SME.sk-Artikel [sk] hat inzwischen Hunderte Leserkommentare, nachfolgend sind einige genannt.

Kiixxela:

Blödmänner, lasst sie bloß nicht versuchen, die Argumente über Sport und die Gesundheit der Jugendlichen zu bemühen, denn gewöhnliche Sterbliche werden in ihrem ganzen Leben nie einen Fuß auf diese Spielfelder setzen.

Aqua Viva:

Und für wen bauen wir diese Fußballstadien? Für die Hooligans, die nur dahin kommen, um sich zu prügeln und das Stadion zu ruinieren? Wieviel kosten wohl die Polizeieinsätze, um ständig die Spiele zu überwachen?

belnea:

Aber wie gelangen wir denn zu den Stadien? Die Straßen sind kaputt. [Dieses Jahr sind die slowakischen Straßen in einem extrem schlechten Zustand.]

mala pistacia:

Was werden die [slowakischen] Arbeitslosen den ganzen Tag lang tun? Morgens gehen sie zum Arbeitsamt und abends – zu einem Fußballspiel.

Timmy_A:

Es ist außerdem totaler Unsinn, hier ein neues Stadion zu bauen, wenn normalerweise nur ein paar Hundert Leute zu einem Spiel im alten Locomotive-Stadion kommen.

ja111:

Aber die armen Mafiagenossen haben […] Fußballclubs gekauft und nun haben sie kein Geld mehr […] also muss der Staat dafür bezahlen!

Cule de FCB:

Die Schulen brechen über den Köpfen von Schülern und Lehrern zusammen. Sanierung ist nicht erforderlich? Es ist besser, Geld an PRIVATE Fußballclubs zu geben?

provokater128:

Wir stiften Geld für Stadien – wohin 20 Mal im Jahr 500 Leute kommen, um Fußball zu sehen. Und da ist eine baufällige Schule – wo 200 Tage im Jahr 500 Schüler darunter zu leiden haben, dass der Wind durch kaputte Fenster bläst. Aber das macht ja nichts.

Deju:

In der Slowakei haben viele Schulen 50 bis 60 Jahre alte Fenster, deshalb ist es sehr kalt in diesen Schulen und eine Menge Geld wird für die Heizung verschwendet. Ich finde, die Prioritäten müssen neu definiert werden. […]

panza09:

Hm, was würden wohl die 45 am meisten beschädigten Schulen zu 84.000 Euro pro Jahr sagen … hmmmm

Chocholko [als Antwort]:

Sie würden sagen: “Das ist ein schöner Traum.”

iwko:

Meine Freundin ist Lehrerin, sie bekam 5 Prozent mehr, aber sie haben alle Zulagen [zu ihrem Grundgehalt] gestrichen, sodass sie nun 10 Prozent weniger hat. Sie hat einen Universitätsabschluss, arbeitet seit zwei Jahren als Englischlehrerin und bringt 400 Euro [pro Monat] nach Hause. Und ja, sie geht jeden Morgen um 7 Uhr zur Arbeit und ist gegen 14 Uhr fertig, nachmittags unterrichtet sie außerdem an einer [privaten] Sprachschule [um zusätzlich Geld zu verdienen].

fff01:

Ein Foto mit hübsch anzusehenden Athleten bringt einem Politiker eben mehr Stimmen als ein Foto mit einem zufriedenen Lehrer.

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