Portugal: Die dunkle Seite des nationalen Staudamm-Programms

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise.

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Das Projekt, das als Teil von Portugals Nationalem Programm zum Bau von Staudämmen (Programa Nacional de Barragens) geplant wurde, wird der Regierung 16 Milliarden Euro kosten. Damit werden die Ausgaben für Bauarbeiten, Subventionen und Kreditzinsen gedeckt. Neben Energie aus Windparks wird Portugals Energie somit zur teuersten weltweit werden; und das in nur wenigen Jahren.

Die ersten Reaktionen auf den Bau der Dämme kamen von Umweltschützern und der betroffenen Bevölkerung. In letzter Zeit jedoch wurden die öffentlichen Debatten über die Probleme, die der Bau von Staudämmen mit sich bringt, immer häufiger.

The submersed village Vilarinho das Furnas, Terras de Bouro. Photo by Flickr user Rosete Pereira (CC BY-NC-SA 2.0)

Das versunkene Dorf Vilarinho das Furnas, Terras de Bouro. Foto von Flickr user Rosete Pereira (CC BY-NC-SA 2.0)

Eine der lautesten und kritischsten Stimmen gegen das Nationale Programm zum Bau von Staudämmen war João Joanaz de Melo, der Präsident der Arbeitsgruppe zur Landverwaltung und Umwelt (GEOTA – Grupo de Estudos de Ordenamento do Território e Ambiente). Er zeigte die Probleme, die der Bau eines Dammes nach sich ziehen könnte und die Fehlinformationen, die von offiziellen Quellen an die Öffentlichkeit weitergegeben wurden, auf.

In einem im Januar 2012 erschienenen Artikel widerlegte João Joanaz de Melo fünf der Hauptargumente, die von den Unterstützern des Planes verwendet werden:

Argumento ridículo 1 – “O investimento é privado.” O investimento inicial nas nove grandes barragens aprovadas pelo Governo ascende a 3600 M€, o que, somado aos custos financeiros e ao lucro das empresas de electricidade, gerará um encargo global estimado em16.000 M€ ao longo de 75 anos – que obviamente será pago na totalidade pelos cidadãos-consumidores-contribuintes. Parte deste custo será reflectido na factura da electricidade, e parte nos impostos, para suportar o défice tarifário e a “garantia de potência” estabelecida na Portaria n.° 765/2010. O que importa é que, entre tarifa e impostos, as novas barragens implicarão um aumento superior a 10% no custo da electricidade. (…)

Lächerliches Argument 1 – “Es handelt sich um private Investitionen” Die ersten Investitionen für die neun großen Dämme, die von der Regierung genehmigt wurden, machen insgesmant 3,6 Milliarden Euro aus. Wenn man dazu die Finanzierungskosten und die Gewinne der Stromkonzerne addiert, ergibt sich eine voraussichtliche Belastung von 16 Milliarden Euro über 75 Jahre – für den gesamten Betrag müssen selbstverständlich die Bürger/Verbraucher/Steuerzahler aufkommen. Ein Teil dieser Kosten wird sich auf den Stromrechnungen niederschlagen, ein anderer Teil wird durch Steuern erhoben, um Defizite für die Raten zu ermöglichen und die “Energiegarantie” zu gewährleisten. Diese Regelungen sind im Dekret Nr. 756/2010 festgelegt. Das Wichtige ist, dass durch die neuen Dämme die Stromkosten durch Raten und Steuern um 10 % steigen. (…)

José Luis Pinto de Sá, Professor für Ingenieurwesen am Instituto Superior Técnico, ist ein weiterer aktiver Gegner dieses Programms. Er machte darauf aufmerksam, dass die Energieproduktion der “neuen geplanten oder sich schon im Aufbau befindlichen Wasserkraftanlagen gleich null oder sogar negativ” sein werde. In einem Bericht vom Mai 2010, der im Blog Wissenschaft ist nicht neutral (A Ciência não é neutra) veröffentlicht wurde, erklärt Pinto de Sá mit Hilfe einer einfachen Rechnung, wie es zu dieser (nicht) Produktion von Energie kommt:

No total (…) as barragens produzirão em média 525+175= 700 MW, mas também consumirão 700 MW de origem eólica (ou solar). Portanto, o saldo energético das barragens será nulo.

Insgesamt werden die Staudämme im Durchschnitt 525 + 175 = 700 MW produzieren, währenddessen werden sie aber auch 700 MW an Wind- oder Solarenergie verbrauchen. Somit wird die Summe an erzeugter Energie gleich null sein.

Der Fall Tua

The Tua line. Photo by nmourao on Flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Eisenbahnstrecke des Tua. Foto von nmourao auf Flickr (CC BY-SA 2.0)

Der problematischste der zehn Dämme des Programms ist der Staudamm von Foz Tua. Der Baubeginn im Januar 2010 bedeutete die Zerstörung eines Teils der Eisenbahnstrecke des Tua [de], eine historische und jahrhundertealte Route.

Die Bürgerbewegung für die Tua Strecke (Movimento Cívico Pela Linha do Tua), die schon seit dem Jahr 2006 existiert, war die wichtigste Plattform für die Gegner des Baus. Sie organisierte zahlreiche Protestaktionen und argumentierten damit, dass die Wiederherstellung der Bahnstrecke besser für die Region sei als der Damm selbst.

Laut eines Berichts des Programms Biosfera, “Versteckte Wahrheiten über die Dämme” (Verdades Escondidas sobre as Barragens), haben Studien der portugiesischen Universitäten gezeigt, dass die Rekonstruktion der Eisenbahnstrecke zusammen mit umweltbewusstem und kulturellem Tourismus mehr Arbeistplätze schaffen würde als jede in den Damm investierte Million.

Unter all den Gegenargumenten zeigte das der Erhaltung des Alto Douro [de] die größte Wirkung. Das Weingebiet gehört seit 2001 zum UNESCO Weltkulturerbe.

Im Juni 2012, beim letzten Treffen der UNESCO in St. Petersburg, wurde nach Einmischung des portugiesischen Botschafters über den Staudammbau abgestimmt und einstimmig beschlossen, die Bauarbeiten bis zum Besuch einer Mission (bis spätestens Ende Juli) deutlich zu verlangsamen.

Image shared on the Facebook page "Eu não pedi um Plano Nacional de Barragens" (I did not ask for a National Dam Plan)

Bild, das auf der Facebook-Seite “Ich habe nie nach einem nationalem Plan zur Erbauung von Dämen gefragt” (Eu não pedi um Plano Nacional de Barragens) geteilt wurde

In einem Artikel, veröffentlicht in der Zeitung Público und im Blog Vi(st)a Estreita im Juli 2012 wiedergegeben, behauptete Alberto Aroso, der Betriebskoordinator der Firma, die für die öffentlichen Dienstleistungen des nationalen Eisenbahnnetzes (REFER) zuständig ist, dass:

os estragos até agora produzidos ainda são reversíveis, na medida em que o paredão ainda não está iniciado e os cortes nas encostas para o respetivo encaixe ainda não têm expressão, estando-se perante o último fôlego do vale do Tua e o último momento para suspensão dos trabalhos para reavaliação de todo o projeto, procurando-se encontrar uma solução que salvaguarde o interesse nacional. A cada dia que passa mais caro será parar a barragem, nomeadamente se a mesma se traduzir no seu abandono definitivo.

Der verursachte Schaden ist reversibel, da der Bau des enormen Damms noch nicht begonnen wurde und die Einschnitte für den dazu notwendigen Abhang noch kaum sichtbar sind. Wir stehen nun vor der letzten Chance für das Tua Tal. Es ist der letzte Moment, in dem es möglich ist, die Konstruktion abzubrechen und das gesamte Projekt neu zu bewerten; der letzte Weg, eine Lösung zu finden, die den nationalen Interessen entspricht. Mit jedem vergangenen Tag wird es teurer den Bau des Dammes zu stoppen, vor allem, wenn das Projekt definitiv aufgegeben werden sollte.

Nach dem Besuch der UNESCO Beamten ist jedoch von der Errichtung des Damms nicht abgesehen worden. Die Verlangsamung der Arbeiten ist lediglich bis zum Abschluss des UNESCO Berichts, der Ende dieses Jahres erwartet wird, verlängert worden. Mit diesem Beschluss hat das Ministerium für Agrarwirtschaft, See-, Umwelt- und Landverwaltung den Bau der Mauer des Foz Tua Damms auf die zweite Hälfte des Jahres 2013 verschoben.

Die Privatisierung der Flüsse

Neben den Fragen um die Dämme, muss man die Privatisierung der Anteile am portugiesischen Energiekonzern (EDP), die der Staat noch immer besitzt, beachten. EDP ist einer der größten Investoren des Damm-Programms.

Im Dezember 2011 wurde der Verkauf des 21,35%igen, bis dahin vom portugiesischen Staat gehaltenen Anteile an EDP angekündigt. Three Gorges, ein chinesisches Unternehmen, kaufte sie für 2,7 Milliarden Euro. Bei diesem Geschäft handelt es sich um die neuntgrößte Transaktion am internationalen Energiemarkt des Jahres 2011.

Zufällig, oder auch nicht, ist die chinesische Firma auch für den Bau des Drei-Schluchten-Staudamms im Yangtse-Fluss, einer der mächtigsten Dämme der Welt, verantwortlich.

Der Staat behielt einen 4%-Anteil am Energieunternehmen, der nicht verkauft werden konnte, da er als “Gefangener” an eine unveränderliche Schuldverschreibung gebunden war. Nun wartet man darauf, dass der Staat die letzten Anteile im Laufe dieses Jahres verkauft und somit nicht mehr am Konzern beteiligt ist.

Während man in Portugal über den Neubau von Dämmen spricht, werden in den USA einige der größten ihrer Art abgerissen [en], da sie als zu kostenintensiv, ineffizient und schädlich für die Umwelt angesehen werden.

Das Nationale Programm zum Bau von Staudämmen ist weit von einer Lösung entfernt und die Menschen haben das Recht zu erfahren was auf dem Spiel steht.

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise.

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