Warum die Haitianer in der Dominikanischen Republik unerwünscht sind

The border between Haiti and the Dominican Republic. Photo by Alex Proimos, republished under Creative Commons License, and taken from original NACLA post.

Die Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik. Foto von Alex Proimos, wiederveröffentlicht unter der Creative Commons Lizenz; erstmals veröffentlicht in einem Beitrag von NACLA.

Dieser Beitrag von Amelia Hintzen wurde ursprünglich auf der Webseite von NACLA veröffentlicht. Die Wiederveröffentlichung geschieht im Rahmen eines Abkommens mit Global Voices zur gemeinsamen Nutzung von Inhalten.

Am Mittwoch, den 17. Juni, lief für haitianische Einwanderer und Einwohner haitianischer Abstammung das Ultimatum ab, ihren Aufenthalt in der Dominikanischen Republik legalisieren zu lassen. Besonders hart trifft diese Frist all diejenigen, die erst vor kurzem eingewandert sind sowie diejenigen, die nicht beweisen können, dass sie in der Dominikanischen Republik geboren wurden und ihre Eltern legale Einwohner waren.

Beunruhigenden Berichten zufolge soll die dominikanische Einwanderungsbehörde Beamte in der Durchführung von Abschiebungen geschult haben. Viele der haitianisch-stämmigen Bewohner der Dominikanischen Republik befürchten nun, die einzige Heimat, die sie kennen, verlassen zu müssen. Obwohl die dominikanische Regierung geplante Massenabschiebungen dementiert hat, blicken schätzungsweise zehntausende Dominikaner haitianischer Herkunft, die keine Staatsbürgerschaftsrechte besitzen, in eine ungewisse Zukunft. Trotz zunehmender internationaler Kritik hat die dominikanische Regierung mehrfach dafür plädiert, selbst bestimmen zu können, wer die Voraussetzungen für eine Staatsbürgerschaft erfüllt und wer nicht.

Natürlich wäre es ein Leichtes, die Handlungen der Dominikanischen Republik als Eskalation alter Feindschaften abzustempeln, auch wenn sie in gewisser Weise das unvermeidbare Ergebnis einer Blutfehde zweier Nationen sind, die auf die Jahre 1822-1844 zurückreicht, als die Dominikanische Republik von Haiti besetzt wurde. Doch die Geschichte ist weitaus komplexer und komplizierter. Mit einer solchen Begründung würde man bloß die märchenhaften Geschichten von Rafael Trujillo, einem der brutalsten Diktatoren des Landes, aufrechterhalten. Trujillo, der die Dominikanische Republik von 1930 bis zu seiner Ermordung im Jahr 1961 regierte, verbreitete eine antihaitianische Ideologie, mit der er die Befürwortung seiner Diktatur seitens der Dominikaner zu stärken versuchte. Seine strenge Regierungsweise begründete er damit, das Land vor der neuen Bedrohung durch haitianische Einwanderer, der sogenannten passiven Invasion, schützen zu müssen. Im Jahr 1937 ordnete Trujillo die Tötung von schätzungsweise zehn bis zwanzigtausend Haitianern an, die an der Grenze lebten.

Während dieser Vorfall häufig als Beweis für den unkontrollierbaren Konflikt zwischen beiden Ländern angeführt wird, scheiterte Trujillos Versuch, im Vorfeld des Massakers Massendeportationen durchzuführen, da sich lokale Gemeinden der illegalen Hetzjagd gegenüber haitianischen Einwanderern widersetzten. In Wirklichkeit lebten Haitianer und Dominikaner im ganzen Land friedlich zusammen und reagierten auf Bestrebungen der Regierung, sich in ihr Leben einzumischen, nicht selten offen feindselig. Beide Länder verfügten über wenige asphaltierte Straßen und eine begrenzte Kommunikationsnfrastruktur. Die haitianischen und dominikanischen Bauern hatten also mehr miteinander gemeinsam als mit einer entfernten Führungselite. Das von Trujillo inszenierte Massaker war weitaus mehr als der Ausdruck einer antihaitianischen Stimmung im Volk. Es war der Versuch, die alten Verbindungen zwischen Haitianern und Dominikanern zu zerstören, da diese Trujillos Macht über das gesamte Land schmälerten.

Der Despot schaffte es jedoch nicht, die haitianische Bevölkerung vollständig aus dem Land zu verbannen. Zucker war eines der wichtigsten Exportgüter des Landes und die haitianischen Arbeiter bildeten das Rückgrat der dominikanischen Zuckerrohrindustrie. Mit diesem Widerspruch konfrontiert begann die Regierung Trujillos, haitianische Einwanderer vom ganzen Land zu isolieren, indem sie diese zwanghaft auf Zuckerplantagen umsiedelte. Die Regierung stoß dabei auf Verwirrung und Widerstand seitens der Gemeindemitglieder, denn diese waren mit der Zwangsumsiedlung ihrer Nachbarn nicht einverstanden. Doch Regierungsbeamte zwangen die Großgrundbesitzer dazu, die Haitianer zu vertreiben und drohten den Haitianern damit, ihnen ihre Einwanderungspapiere zu verweigern, solange diese nicht umsiedelten. Mit der Quarantäne der Haitianer auf Zuckerplantagen begann die Auslöschung der langen Geschichte dominikanisch-haitianischer Gemeinden auf der Insel Hispaniola.

Die Isolierungsversuche der Regierung gegenüber haitianischen Einwanderern und deren Kindern wurden verschärft, als Joaquin Balaguer, ein antihaitianisch gestimmter Architekt, 1966 zum Präsidenten der Dominikanischen Republik gewählt wurde. Balaguer führte eine Politik ein, die haitianischen Einwanderern ausschließlich gestattete, auf Plantagen zu leben und lediglich als Zuckerrohrschneider zu arbeiten. Infolgedessen durchstreiften die dominikanische Armee und Nationalgarde zu Beginn einer jeden Zuckerrohrernte das Land auf der Suche nach Haitianern, um diese gegen ihren Willen auf die Plantagen umzusiedeln, selbst wenn sie eine legale Aufenthaltsgenehmigung besaßen. Außerdem wurden auch diejenigen Einwanderer, die sich nicht ausweisen konnten, in der Regel ebenfalls dazu gezwungen, auf die Plantagen umzusiedeln, ohne dass die Regierung ihren Status regelte. Mit diesen Maßnahmen führte die Regierung ein, dass der legale Aufenthalt haitianischer Einwanderer in der Dominikanischen Republik nun nicht mehr durch Ausweispapiere, sondern durch Aufenthaltsort und Beruf bestimmt wurde. Sowohl Trujillo als auch Balaguer waren der Meinung, dass die Haitianer, indem sie auf Plantagen festgehalten wurden, zum Wohl der dominikanischen Nation beitragen könnten, ohne als Teil der Nation anerkannt werden zu müssen.

Obwohl die Mehrheit der Dominikaner afrikanischer Abstammung sind, behauptete Balaguer, dass die Dominikanische Republik nach der Ausmerzung der Ureinwohner von weißen Spaniern wiederbevölkert wurde. Seiner Meinung nach seien die afrikanischen Merkmale der dominikanischen Bevölkerung das Ergebnis der haitianischen Infiltration des Landes. Balaguer befürchtete eine „Verunreinigung” seines Landes durch andere „Rassen”. Besonders große Sorgen bereiteten ihm die Dominikaner, deren Eltern Haitianer waren. In den 70er Jahren führte er daher eine Reihe von Untersuchungen bezüglich dieser Angelegenheit durch. Zahlreiche Regierungsbeamte erklärten Balaguer, dass die Regierung dominikanisch-haitianische Einwohner nicht abschieben könne, da diese in der Dominikanischen Republik geboren wurden und laut Verfassung dominikanische Staatsbürger seien. Doch viele der auf den Plantagen geborenen Haitianer erhielten nie offizielle Geburtsurkunden, da die Plantagen oft weit entfernt von medizinischen Versorgungszentren waren.

Als in den 90ern der Niedergang der Zuckerrohrindustrie einsetzte und sich die Quarantäne der haitianischen Bevölkerung als nicht mehr so einfach erwies, suchte die Regierung nach einer Rechtsgrundlage, mit der sie den haitianisch-stämmigen Dominikanern ihre Rechte rückwirkend entziehen konnte. Im Jahr 2013 beschloss das dominikanische Verfassungsgericht, dass allen nach 1929 in der Dominikanischen Republik geborenen Bürgern haitianischer Herkunft das Recht der dominikanischen Staatsbürgerschaft entzogen werden könne. Mit diesem Gesetz verstößt die Regierung offen gegen das in der Verfassung verankerte Rückwirkungsverbot. In einem nach dem Gesetzeserlass entworfenen Plan gab man den Einwohnern bis zum 17. Juni Zeit, ihren legalen Aufenthalt im Land nachzuweisen. Neben den zahlreichen Schwierigkeiten, denen sich die Dominikaner bei der Beschaffung und Vorlage der Papiere sowie den langen Reisen zu den weit entfernten Regierungsbehörden gegenüber sehen, haben sich bereits viele von ihnen über erhebliche Verzögerungen und inkohärente Forderungen seitens der Behörden beschwert.

Die Maßnahmen der Regierung dienen entgegen eigener Behauptungen nicht nur dem Schutz der Souveränität. Die möglichen Abschiebungen sind außerdem das Ergebnis einer jahrzehntelangen heimlichen Regierungspolitik, die einen legalen Aufenthalt im Land nicht durch gültige Ausweispapiere regelt, sondern durch den Wohnort und die Arbeit der haitianischen Einwanderer. Behauptungen, Dominikaner und Haitianer könnten nicht nebeneinander existieren, ignorieren die Tatsache, dass im Land eine antihaitianische Ideologie zugunsten der Ziele eines Diktators verbreitet wurde. Damals wie heute gibt es Dominikaner, die sich gegen diese Ungerechtigkeiten zur Wehr setzen sowie Gemeinden, in denen Haitianer und Dominikaner friedlich zusammenleben und sich verbünden.

Amelia Hintzen ist Doktorandin im Studienfach Geschichte an der Universität von Miami. In ihrer Dissertation untersucht sie die Gemeinden haitianischer Einwanderer auf den dominikanischen Zuckerrohrplantagen. Hierfür betreibt sie sowohl ethnographische als auch Archivrecherchen und erforscht mündliche Überlieferungen.

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