Euro-Krise: Alternative Stimmen aus Deutschland für einen objektiven Diskurs in Europa

Europe gone with the wind?
Europa vom Winde verweht? Europa braucht alternative Stimmen aus Deutschland um einen objektiven Diskurs zu stärken. Foto von Flickr Nutzer Theophilos Papadepoulos unter CC BY-NC-ND 2.0

Deutschlands Position in der Griechenlandkrise scheint auf den ersten Blick eine klare Richtung zu verfolgen: Bundeskanzlerin Angela Merkel plädiert für eine harte Spar- und Reformpolitik in Griechenland. Dass es in Deutschland durchaus alternative Stimmen zur Griechenlandkrise gibt, wird nicht unbedingt auf den ersten Blick deutlich. Dies ist auch der Berichterstattung der deutschen Medien geschuldet, die in den vergangenen Monaten unter scharfer Kritik stand. Doch ein Blick in die deutsche Netzgemeinschaft zeigt ein anderes Gesicht Deutschlands.

Griechenland erhielt im Zuge der Euro-Krise 2010 und 2011 unter dem Euro-Rettungsschirm zwei Rettungspakete von der Troika ( Mitgliedstaaten der Eurozone, der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds (IWF)), die an strikte Reform- und Sparmaßnahmen gebunden sind. Jedoch hat sich Griechenlands Wirtschaft nie wirklich von diesen Spar- und Reformmaßnahmen erholt. Die im Januar gewählte linke Regierung Griechenlands unter Ministerpäsident Tsipras hatte den Kreditgebern den Kampf und sich für eine Reform der Kreditauflagen ausgesprochen. Diese Haltung der Regierung wurde am vergangenen Sonntag von der griechischen Bevölkerung untermauert, die sich mit einem klaren “Nein” gegen die Auflagen der Troika aussprach.

Ingo Stützle schreibt auf seinem Blog, dass Deutschland von Beginn an der Währungsunion seinen eigenen Stempel aufdrückte. So wurden zum Beispiel Initiativen blockiert, die einen Ausgleich zwischen Stärkeren und Schwächeren Nationen fördern, um eine neoliberale Wettbewerbspolitik zu unterstützen. Er schreibt über den Standpunkt Deutschlands:

Wie weit Deutsch­land in sei­ner Selbst­herr­lich­keit geht, zeigte Mer­kel bereits im Juni 2010, als sie for­derte, dass Län­dern mit finanz­po­li­ti­schem Schlen­drian das Stimm­recht ent­zo­gen wer­den müsste … Wenige Monate spä­ter konnte ohne Umset­zung die­ser fixen Idee, die Staats­ver­schul­dung quasi als Men­schen­rechts­ver­let­zung wer­tet, der CDU-Fraktionschef Vol­ker Kau­der befrie­digt fest­stel­len: »Jetzt auf ein­mal wird in Europa Deutsch gespro­chen. Nicht in der Spra­che, aber in der Akzep­tanz der Instru­mente, für die Angela Mer­kel so lange und dann erfolg­reich gekämpft hat.«

Dagegen wird zum Beispiel auf Reparations- und Entschädigungsforderungen gegenüber Deutschland nur ausweichend reagiert. Laut dem Spiegel findet Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel, dass die Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg nicht mit den Verpflichtungen Griechenlands vermengt werden sollten. Der Ökonom Thomas Piketty erklärt hingegen in einem Interview mit der ZEIT, dass das deutsche Erfolgskonzept nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem auf einem wesentlichen Faktor beruht: Schuldenschnitte. So wurden im Jahr 1953 auf der Londoner Schuldenkonferenz fast 60 Prozent der deutschen Auslandsschulden annuliert. In der jetzigen Griechenlandkrise scheint dies kein Argument zu sein.

Der Mangel an objektiven Fakten in der Diskussion in Deutschland liegt für viele in der Berichterstattung deutscher Medien; denn die Griechenlandkrise hat auch eine Vielzahl von Kritik an deutsche Medienhäuser hervorgerufen. Ideologie übertöne Austeritätskritik und objektive Fakten.

Die Kritik richtet sich durchgängig an alle deutschen Traditionsmedien. Wolfgang Blau von The Guardian zeigt sich in diesem Facebook-Post besorgt über die Anti-Griechenland-Kampagne der deutschen Boulevardzeitung Bild: “Ich hätte nie gedacht, dass eine deutsche Nachrichtenorganisation so entehrend und rücksichtslos sein könnte im Angesichts des Leidens einer anderen Nation.” Heiner Flassbeck schreibt auf dem Blog Hassbeck economics, dass er immer wieder Hinweise auf “tendenziöse, ideologische und sogar hetzerische Beiträge” bekäme. Dies gelte nicht nur für Lokal- und Boulevardzeitungen, sondern auch für überregionale Qualitätsmedien. Laut ihm fehle der deutschen Berichterstattung vor allem auch ein Blick in die deutsche Netzgemeinschaft: “Dass es im Internet inzwischen Qualitätsinformation und Analyse gibt, die in ihrer Objektivität und ihrer Klarheit von den traditionellen Medien niemals erreicht wird, davon ist natürlich überhaupt nicht die Rede.”

Ein Blick in die deutsche Netzgemeinschaft und die sozialen Netzwerke zeigt neue Inhalte, Argumente und Perspektiven, die einen weitaus differenzierteren Blick der deutschen Bürger auf die Griechenlandkrise verraten. Und sie zeigen auch auf, dass viele Deutsche einen ausgewogenen, auf Fakten basierenden und weniger ideologischen Umgang mit Griechenland wünschen, der auch Austeritätskritik zulässt.

Hier einige Stimmen aus dem Netz:

Dass es auch anders geht zeigt die Fernsehshow “Die Anstalt” des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders ZDF, die durch Satire versucht neue Perspektiven aufzuzeigen (Video mit englischen und griechischen Untertiteln).

Im Gespräch mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Mitglied des Bundestages und Kanzlerkandidat der SPD 2013, erfährt Thilo Jung die Rolle Deutschlands in der Griechenlandkrise und was die Spar- und Reformpolitik, die den Griechen und Portugiesen auferlegt wird, eigentlich für Deutschland bedeuten würde (ab14:30):

Wolfgang Blau schreibt in seinem oben genannten Facebookbeitrag auch, dass mehr Stimmen aus Deutschland in Griechenland und Europa Gehör finden sollten, um einen zivilisierten Diskurs in Europa zu stärken.

Er hinterlässt den Lesern zudem kein journalistisches, sondern ein künstlerisches Video aus Griechenland, das viele Bürger und besonders Journalisten in Europa zum Nachdenken anregen sollte:

You know that this video could begin or end with an imposing shot of the Acropolis. Or the Olympics. Or the deep blue waters of the Aegean. Or with people losing their jobs and homes. Or others sleeping in tiny carton boxes. Or others driving luxurious cars. But this shall not happen. Because this video wasn't made to impress nor to shock you. Because these words are not a scream. They're a whisper.

Du weißt, dieses Video könnte mit einem Bild der Akropolis beginnen. Oder von Olympia Oder dem blauen Wasser des Ägäischen Meers. Oder mit Menschen, die ihre Arbeit und ihr Zuhause verloren haben. Oder Anderen, die in kleinen Kartons schlafen. Oder Anderen, die luxuriöse Autos fahren. Aber dies wird nicht geschehen. Dieses Video wurde nicht gemacht um zu schockieren. Diese Worte sind kein Aufschrei. Sie sind ein Flüstern.

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