Netzbürger-Report: Großbritannien spioniert gegen Menschenrechtsorganisationen in Ägypten und Südafrika

Army truck and soldiers in Tahrir Square, Cairo, January 2011. Photo by Ramy Raoof via Flickr (CC BY 2.0)

Der Netzbürger-Report von Global Voices Advocacy ist eine internationale Momentaufnahme von Herausforderungen, Siegen und neuen Trends im weltweiten Internetrecht.

Das britische Investigatory Powers Tribunal hat preisgegeben, dass Großbritanniens Nachrichtendienst GCHQ gegen zwei internationale Menschenrechtsorganisationen spioniert. Betroffen sind das südafrikanische Legal Resources Centre und Ägyptens Initiative für Persönlichkeitsrechte. Beide Nichtregierungsorganisationen werden in einer Klage gegen GCHQ genannt, in der argumentiert wird, dass der Dienst durch Anwendung eigener geheimer Verfahrensabläufe gesetzwidrig und gegen interne Vorschriften gehandelt habe.

Die Ägyptische Initiative für Persönlichkeitsrechte verteidigt seit 2001 das Recht der Ägypter, ihre Meinung frei und ohne Angst in der Öffentlichkeit äußern zu können; sowohl innerhalb als auch außerhalb des Internets. Das Tribunal gelangte zu der Auffassung, dass die Internetkommunikation dieser Organisation staatlich überwacht, Dritten zugänglich gemacht und “wesentlich länger als nach dem Gesetz erlaubt auf Vorrat gespeichert” worden ist. Diese Nachricht hat all jene entmutigend, die in Ägypten für den Schutz der Privatsphäre und die freie Meinungsäußerung eintreten und die regierungsamtliche Massenüberwachung stets aufmerksam beobachten. Es ist schon Routine, dass die in diesem Bereich agierenden Menschenrechtsorganisationen durch die Behörden ausspioniert werden. Zumeist wird das mit der inneren Sicherheit begründet, die angesichts erstarkender krimineller Gruppen bewahrt werden müsse.

Amr Gharbeia, ein in Kairo ansässiger Internetaktivist und Angehöriger der Organisation, der viele Jahre damit verbracht hat, gegen die weit verbreitete digitale Überwachung durch die ägyptische Regierung zu kämpfen, reagierte mit folgender Kurznachricht:

In seiner Entscheidung, die von der Ägyptischen Initiative für Persönlichkeitsrechte als “erstaunlich” bezeichnet wird, kam das Tribunal nicht zu der Erkenntnis, dass die Überwachung der Kommunikationswege der Nichtregierungsorganisationen durch GCHQ für sich betrachtet rechtswidrig gewesen sei. Statt dessen sei das als Rechtsbruch bewertete Fehlverhalten des GCHQ darin zu sehen, dass es eigene geheime Verfahrensabläufe angewendet habe. Es seien Fehler gemacht worden, weil Kommunikationsbelege länger gespeichert wurden als es erlaubt ist oder sie seien entgegen den Richtlinien des GCHQ zur weiteren Prüfung herausgefiltert worden.

Privacy International hat deshalb den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingeschaltet.

Kein Blatt vor den Mund nehmen? Dann bleib’ von WhatsApp weg!

In den Vereinigten Arabischen Emiraten sollten WhatsApp-Nutzer auf ihren Sprachgebrauch achten: Nach der aktuellen Gesetzgebung müssen Leute, die im Internet andere wüst beschimpfen, mit einer Geldstrafe in Höhe von bis zu 250.000 Dirham (ungefähr 68.000 US-Dollar) oder sogar mit Gefängnis rechnen. Das oberste Bundesgericht hatte kürzlich eine Gerichtsentscheidung als zu milde verworfen, in der jemand eine Geldstrafe von 3.000 Dirham (ungefähr 816 US-Dollar) erhielt, weil er für schuldig befunden wurde, durch WhatsApp eine andere Person unflätig beschimpft zu haben.

So macht es der Kreml: Das Recht auf Vergessenwerden

Russlands Parlament hat in erster Lesung einem Gesetzentwurf zugestimmt, der den europäischen Regeln des “Rechts auf Vergessenwerden” nacheifert. Danach werden Suchmaschinen dazu verpflichtet, auf Verlangen von Nutzern Informationen aus den Suchergebnissen zu entfernen, die veraltet sind oder irrelevante persönliche Daten enthalten. In einem wichtigen Punkt weicht die russische Regelung allerdings vom EU-Recht ab: Es zwingt Suchmaschinen, personenbezogene Informationen zu löschen, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Yandex, Russlands größte Suchmaschine, lehnt den Gesetzentwurf ab. Global Voices-Autorin Tanya Lokot stellt sich vor, wie das RuNet nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aussehen könnte.

China: Uber lehnt jede Form öffentlicher Proteste oder Versammlungen ab 

In China warnt Uber seine Fahrer davor, öffentlichen Protesten nahe zu kommen und ergänzt, dass es für diejenigen Konsequenzen gäbe, die sich dieser Weisung widersetzen. Außerdem werde Uber deren Mobiltelefone fortlaufend orten, um die “soziale Ordnung aufrecht zu erhalten”.  Ein Sprecher von Uber sagte gegenüber Quartz, “wir lehnen jede Form öffentlicher Proteste oder Versammlungen ab und wir ermuntern zu einer vernünftigeren Art und Weise der Kommunikation, um Probleme zu lösen”.

Kenianischer Blogger nach fast zwei Jahren immer noch vermisst

Kenianer haben über das mysteriöse Schicksal des Bloggers und früheren AFP-Korrespondenten Bogonko Bosire getwittert. Der Autor des kontroversen Jackal News-Blogs verschwand vor fast zwei Jahren, nachdem er eine Reihe von Berichten über die Aktivitäten des Internationalen Strafgerichtshofs gegen den früheren Präsidenten Uhuru Kenyatte veröffentlicht hatte. Seit September 2013 ist Bosire nicht mehr gesehen worden.

Thailänder nach Majestätsbeleidigung zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt

Der thailändische Facebook-Nutzer Tiensutham S. wurde verhaftet und wegen “Majestätsbeleidigung” zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt. Die betreffenden Posts hatte er zwischen Juli und November 2014 bei Facebook veröffentlicht. Nachdem er seine Taten gestand, wurde das Strafmaß auf 25 Jahre reduziert.

Singapur: Behörden lassen jugendlichen Video-Blogger auf Autismus untersuchen

Der singapurische Blogger Amos Yee wurde in Gewahrsam genommen und jetzt zur Rehabilitation geschickt, weil er ein Video veröffentlichte, dass den Gründer der Nation, Lee Kuan Yew, kurz nach seinem Tode kritisiert hatte. Yee ist wegen Verletzung religiöser Gefühle der christlichen Bevölkerung und wegen der Verbreitung obszöner Schriften angeklagt worden. Er soll baldmöglichst auf Autismus untersucht werden. Sein Fall hat im asiatischen Stadtstaat eine hitzige Debatte über die Rolle der Meinungsfreiheit ausgelöst.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte braucht Hilfe, um das Internet verstehen zu können

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass das estnische Nachrichtenportal Delfi für verleumderische Nutzerkommentare verantwortlich gemacht werden kann. Eine Entscheidung, die enorme Konsequenzen für Webseiten haben kann, die es Nutzern erlauben, Kommentare und andere Arten der von ihnen erzeugten Inhalte zu posten. Peter Noorlander von der Initiative zur juristischen Verteidigung Medienschaffender (MLDI) sagt, diese Rechtsprechung werde einen diametral entgegengesetzten Effekt auf die Meinungsfreiheit im Internet haben. “Kommentarfelder sind wichtig. Sie ermöglichen eine Debatte über Themen des öffentlichen Interesses und sind zu einem integralen Bestandteil von Onlinemedien geworden”.

Verfechter der Privatsphäre schlagen die Hände über dem Kopf zusammen, wenn über Gesichtserkennung gesprochen wird

Eine Gruppe von neun Datenschützern sieht davon ab, für das US-amerikanische Wirtschaftsministerium und für Lobbyisten der Technologiebranche einen Verhaltenskodex zur Nutzung von Technologien für die Gesichtserkennung zu entwickeln. Begründung: Die Gespräche sind dermaßen entgleist, dass sie keine Chance auf ein Übereinkommen sehen. Nicht einmal unter der Prämisse, “Leute sollten eine öffentliche Straße entlanggehen können, ohne befürchten zu müssen, dass Unternehmen, von denen sie noch nie etwas gehört haben, jeden ihrer Gesichtszüge beobachten und sie durch Gesichtserkennungssoftware mit ihrem Namen identifizieren”.

Nordkorea: Keine Mobilverbindungen für Ausländer (zumindest für's Erste)

Der nordkoreanische Mobilfunkanbieter Koryolink gab bekannt, dass ihr 3G-Internetdienst im Inland nicht länger zur Verfügung steht. Koryolink, in Nordkorea der einzige Anbieter mobiler Internetdienste, gab keinerlei Hinweise darauf, wann dieser Service wieder angeboten wird. Nordkoreaner haben keinen Zugang zum globalen Internet. Aber ausländische Einwohner und Besucher hatten in der Vergangenheit die Möglichkeit, geeignete SIM-Karten für mobile Geräte zu benutzen. Die Gründe für diese Einschränkung sind unklar.

Besser spät als nie: Bing hofft, auf den Zug der Verschlüsselung aufspringen zu können

Microsoft gab bekannt, dass man bei Bing damit beginnen wird, Suchanfragen standardmäßig zu verschlüsseln. Das bedeutet, Microsoft lässt Anzeigenkunden wissen, dass ihre Seitenaufrufe zwar von einer Suchanfrage bei Bing stammen, aber das Unternehmen nennt den genauen Suchbegriff nicht mehr. Microsoft bestätigt, dass “diese Änderung Vermarkter und Webmaster betreffen kann, [aber] wir glauben, dass es wichtig ist, unseren Nutzern eine Suchrecherche zu ermöglichen, die sicherer ist”. Bei Google und Yahoo wurden verschlüsselte Suchanfragen 2011 beziehungsweise 2014 zum Standard.

UN-Arbeitsgruppe fordert die Freilassung des syrischen Webentwicklers Bassel Khartabil

Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen veröffentlichte eine Stellungnahme zur Situation von Bassel Khartabil (alias Safadi), einem Webentwickler und Bürgerrechtler für mehr Transparenz, der bei Creative Commons, Mozilla und anderen Internetorganisationen gearbeitet hat. Khartabil ist seit März 2012 in Syrien in Haft. Die Arbeitsgruppe betrachtet seine Inhaftierung als willkürlich und verlangt seine unverzügliche Freilassung.

Weitere wichtige Artikel von Global Voices Advocacy [auf Englisch]:

Ellery Roberts Biddle, Weiping Li, Hae-in Lim, und Sarah Myers West haben zu diesem Report beigetragen.

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