Die Erinnerungen eines kroatischen Dorfes leben weiter, 71 Jahre nachdem es von Nazis zerstört wurde

Lipa houses

Einige der Häuser in Lipa wurden am 30.April 1944 zerstört. Die Ruinen blieben erhalten, um die Erinnerungen an den Horror des Hasses am Leben zu halten. Foto: ©Marinella Matejčić (Autorin)

Wo nicht anders angegeben, führen Links in diesem Artikel zu englischsprachigen Webseiten. Begriffsdefinitionen und Beschreibungen politischer Akteure sind in deutscher Sprache gegeben.

Am 30. April 1944, gegen halb drei Uhr nachmittags, wurde das Dorf Lipa in Kroatien von einer Gruppe Deutscher SS-Offiziere und Mitgliedern der Wehrmacht sowie italienischer faschistischer Milizen umzingelt. Vermeintlich waren auch Tschetniks und Slowenische Dombranzen in der Gruppe, die unter dem Kommando von Aurelio Piese, Kopf der faschistischen Miliz Rupa in Kroatien, standen.

Sie stürmten das Dorf gegen 15 Uhr und begannen alles zu stehlen, was sie tragen konnten, auch den Viehbestand. Die Gruppe vergewaltigte Frauen und Mädchen, metzelte Babies und die Alten nieder. Nachdem sie 21 Menschen folterten und ermordeten, verstanden sie, dass sie auf diese Weise nicht das komplette Dorf zerstören konnten, also änderten sie ihre Taktik. Sie versammelten alle Bewohner des Dorfes und befahlen, ihre Sachen in ein kleines Bündel zu packen, um sie danach in Arbeitslager zu schicken.

Die Nazis führten die Menschen zum Kvartika Haus, Haus Nummer 20 am Eingang des Dorfes und sagten ihnen sie sollen hineingehen. Danach begannen sie, Feuerbomben in das Haus zu werfen, in das Haus zu schießen und begossen schließlich das Haus mit Benzin und verbrannten alle Eingeschlossenen.

Sie ermordeten 269 Menschen, 21 von ihnen Kinder im Alter von sieben Monaten bis 15 Jahren. Die Nazis brannten das komplette Dorf bis auf die Grundmauern nieder und beseitigten alle verbrannten Leichen. Lipa war komplett zerstört, alle 87 Häuser der Einwohner und 85 Nebengebäude. Von allen Dorfbewohnern, die sich an diesem Tag in Lipa befanden, überlebten nur ein Mann und eine Frau.

Nazis going trough victim's bundles, collecting valuables Original photographs, curtesy of Maritime and History Museum of the Croatian Littoral Rijeka

Nazis durchsuchen die Bündel der Opfer, um Wertgegenstände zu sammeln. Originalfotografien, durch das Maritime- und Geschichtsmuseum des kroatischen Küstenstreifens Rijeka, verwendet mit Genehmigung.

Die Aktion der Nazigruppe wurde von den Tätern auf Kamera festgehalten, um mit dem Material später vor ihren Vorgesetzten und Freunden zu prahlen. Der Film wurde in der Fotowerkstatt von Silvestar Marož in Ilirska Bistrica in Slowenien, nur 17,5 Kilometer von Lipa entfernt, entwickelt. Seine Schwester fertigte jeweils zwei Versionen eines Fotos an und versteckte sie; so blieben die Fotos bis zum Ende des Krieges erhalten. Als alles vorbei war, wurden die Fotos in dem Schaukasten der Fotowerkstatt ausgestellt. Es dauerte nicht lange bis Vorbeigehende das Dorf Lipa erkannten.

Die Fotos sind nun Teil des Lipa Gedenkzentrums, welches am 8. März 2015 offiziell eröffnet wurde. Der Kurator Vana Gović erklärt Global Voices:

Fotografije zamišljene kao ratne trofeje mi danas koristimo za osudu tog čina. Ostvarili smo dostojanstven tretman memorijalne građe, jer ove potresne fotografije prikazuju se samo ako se pojavi osoba, koja može uspostaviti odnos prema njima. Prostor na katu je intiman, zagušenog osvjetljenja i namijenjen refleksiji, kako bi posjetitelji mogli uspostaviti odnos sa žrtvama i zločinom kojeg su pretrpjeli.

Fotos, die einst Kriegstrophäen waren, werden heute genutzt um die Taten zu verurteilen. Wir haben versucht mit den Fotografien so würdevoll wie möglich umzugehen. So werden zum Beispiel nur Fotos gezeigt, wenn durch Geschichten von Opfern eine Beziehung zu den Fotos hergestellt werden konnte. Der Raum im ersten Stock ist sehr intim gestaltet, zum Beispiel mit gedimmten Licht, damit Besucher eine Verbindung zu den Opfern und den Verbrechen aufbauen können.

Ein Museum gedenkt dem schrecklichen Tag

Der Vorgänger des heutigen Gedenkzentrums war das Lipa Museum, das erstmals in 1968 eröffnete und im Mai 1969 durch die ethnografische Sammlung sowie die erhaltenen Ruinen des Dorfes ergänzt wurde. Das gleiche Gebäude war auch schon Vorschule, Kindergarten und Kindertagesstätte von Kindern aus Lipa, die in den abgelegenen Dörfern Rupa und Matulji zur Schule gehen. Das Museum und die Schule wurden von Danica Maljavac geleitet, einer Geschichts- und Geographielehrerin, deren Großmutter eine der Überlebenden war und die bereits oft in der Öffentlichkeit über die Verbrechen von Lipa gesprochen hat.

Das Gedenkzentrum im Herzen des Dorfes besteht aus einem Keller, Erdgeschoss und erstem Stockwerk. Im Keller wird die ethnologische Sammlung ausgestellt, während im Erdgeschoss und ersten Stock die schreckliche Geschichte des Zweiten Weltkrieges in der westlichen Balkanregion erzählt wird. Das Erdgeschoss hat einen multifunktionalen Raum und zeigt eine Dauerausstellung zur Geschichte und des Lebens in Lipa und des gesamten liburnischen Karstes. Neben den Fotografien können Besucher den slowenischen Dokumentationsfilm “Der Tag an dem Lipa starb” anschauen, in dem die Überlebenden über den schrecklichen Tag berichten und Informanten Zeitzeugnisse über die Ereignisse ablegen. Als Gedenkzentrum soll das Erdgeschoss auch Platz für regelmäßige Zusammenkünfte, einzelne Ausstellungen und andere Veranstaltungen bieten.

Victims, which were later collected and burned. Original photograph, curtesy of Maritime and History Museum of the Croatian Littoral Rijeka,reposted with exclusive permission

Opfer, die später gesammelt und verbrannt wurden. Originalfotografie durch das Maritim- und Geschichtsmuseum der kroatischen Küstenlinie Rijeka, mit Genehmigung.

Gović sagt:

Stalna izložba u prizemlju posvećena je životu prije i nakon stradanja Lipe, jer namjera je, da svaki posjetitelj iz muzeja izađe sa spoznajom da ovaj tragičan i strašni događaj nije bio ni početak ni kraj Lipljana. Iako je teško stradanje pod nacistima obilježilo ovu zajednicu, riječ je o samo jednoj odrednici njihova identiteta. Kao i češke Lidice i francuski Oradour sur Glane, i Lipu su nacisti u potpunosti uništili i pobili svo stanovništvo koje su zatekli, no Lipa je specifična po tome što je jedina od ta tri mjesta nastavila živjeti.

Die ständige Ausstellung im Erdgeschoss zeigt das Leben vor und nach dem schrecklichen Tag in Lipa. Wir wollen jedem Besucher bewusst machen, dass diese fürchterlichen Ereignisse weder der Anfang noch das Ende der Menschen in Lipa waren. Obwohl die Zerstörung durch die Nazis die Gemeinschaft prägt, ist es nur ein kleiner Teil ihrer Identität. Genauso wie das tschechische Lidice und das französische Dorf Oradour Sur Glane, wurde Lipa komplett durch die Nazis zerstört und alle Einwohner ermordet. Aber Lipa ist einzigartig in einem Punkt: im Gegensatz zu den anderen beiden Dörfern lebt Lipa weiter.

Im ersten Stockwerk wird die Geschichte der Zerstörung und des Hasses erzählt. Wenn die Besucher die Treppenstufen hinaufsteigen, hören sie eine Tonspur des Nazi Marsches, die sogenannten “Stechschritte”, und sehen Originalkopien von Militärhelmen, die an den Wänden angebracht wurden. Sowohl die Stufen als auch die oberen Räume sind dunkel gestaltet, mit gedimmten Licht und in kompletter Stille – damit jeder Besucher eine Verbindung zu den Opfern und ihrer Geschichte aufbauen kann. Die Namen der Opfer wurden nicht auf langen, kollektiven Listen festgehalten; ein Versuch ihre Identität zu bewahren. Stattdessen wurden die Namen der Bewohner in einer Miniaturanfertigung des Dorfes auf ihre jeweiligen Häuser aufgeschrieben mit ihrer jeweiligen Adresse. Das Lipa Gedenkzentrum ist Teil des Maritimen und Geschichtsmuseums der kroatischen Küstenlinie der Stadt Rijeka.

Nie wieder

Aber was waren die Ereignisse, die dem Horror vorausgingen? Nach der Kapitulation Italiens im September 1943 fiel das Gebiet des Liburnia Karstes unter die faschistische “Salo Republik”, die Adolf Hitler in Norditalien für Benito Mussolini gegründet hatte. Jedoch waren sowohl in der “Republik” als auch in der Operationszone der Adriaküste, zu der auch Lipa gehörte, deutsche Nazitruppen an der Macht.

General Ludwig Kübler war der Kommandant der Deutschen Heeresabteilung, während die Polizei und SS von Odilo Globocnik, einem der größten Naziverbrecher und Drahtzieher hinter den Todeslagern in Polen, geleitet wurde. Anfang 1944 vergrößerte die Widerstandsbewegung der Partisanen die Anzahl und Stärke ihrer Aktionen in der Region. Da die Partisanen in ihrer Anzahl den Deutschen unterlegen waren, nutzten sie überfallartige Guerilla-Taktiken während ihrer Angriffe. Indem sie Straßen und Schienen attackierten, konnten die Partisanen für die Nazis wertvolle Infrastruktur zerstören.

Die Partisanen wurden von Josip Broz Tito angeführt, dem Leiter der im Untergrund tätigen Jugoslawischen Kommunistischen Partei (KPJ). Auch bekamen sie Unterstützung von der Sowjetunion Stalins. Broz war ein kroatisch-slowenischer Kleinbauer, der, nachdem er als österreichisch-ungarischer Soldat von den Russen gefangen genommen worden war, ein fanatischer Befürworter des Kommunismus wurde.

Während sich die Partisanen als schwer ergreifbar erwiesen, war die lokale Bevölkerung, die den Partisanen Unterstützung boten, ein einfacheres Opfer. Aufgrund seiner speziellen Probleme mit den Partisanen brachte General Kübler seine zehn Truppen, um die “Banden”, wie er sie nannte, zu bekämpfen. Er beauftragte und ermutigte zum Töten, zu Plünderungen und zu Repressalien gegen die Bevölkerung: Für die Nazis war diese nichts als die logistische Basis ihrer Feinde, den Partisanen. “Terror um Terror, Auge um Auge, Zahn um Zahn”, waren seine Befehle.

Kurator Vana Gović erklärt:

Nacisti su obilazili selo i nekoliko dana nakon ubojstava – njihove mete su bili svi koji su pomagali partizanima. Tijekom jednog kontrolnog posjeta su presreli starog seljana Josipa Simčića i njegovu kći,Vinku. Nakon što su ju silovali, pitali su ih tko će biti prvi obješen. Josip je rekao – ubijte nju prvu, jer će meni biti lakše gledati nju kako visi, nego ona mene. Obješeni su na raskršću između Lipe i Rupe.

Nach den Ermordungen besuchten die Nazis wiederholt das Dorf — Ziel war es, alle aufzufinden, die den Partisanen halfen. Während einer Patrouille trafen sie auf einen alten Mann namens Josip Simčić und seine Tochter Vinka. Nachdem sie Vinka vergewaltigt hatten, fragten die Nazis wen sie als erstes erhängen sollten. Josip sagte, sie sollten seine Tochter als erstes töten, da es für ihn einfacher wäre, sie hängen zu sehen, als umgekehrt. Sie wurden auf der Kreuzung zwischen Lipa und Rupa erhängt.

Kvartikas Haus, indem fast alle Einwohner des Dorfes ermordet wurden, ist nun eine Gedenkstätte und ein Ossuarium. An der Kreuzung, auf der Josip Simčić und seine Tochter Vinka erhängt wurden, steht nun zum Gedenken ein Kenotaph. Das gesamte Dorf ist bewahrt worden, als eine Erinnerung an die Nachwelt, dass solch ein Horror nie wieder passieren darf. Lipa erinnert. So sollten es auch alle anderen tun.

Kvartika's house

Kvartikas Haus ist nun eine Gedenkstätte und Ossuarium. Foto: ©Marinella Matejcic (Autorin)

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