Ägyptens Vietnam: Warum Ägypter gegen einen Krieg im Jemen sind

Decisive Storm artillery rocks a Yemeni neighbourhood in the capital Sanaa. Photograph shared by Alaa Al-Eryani on Facebook. "This was in Faj Attan near our house. Can't imagine the terror my family and friends are going through right now.." she explains.

In der Operation “Decisive Storm” abgefeuerte Geschütze zerstören eine jemenitische Nachbarschaft in der Hauptstadt Sanaa. Bild von Alaa Al-Eryani auf Facebook geteilt. Sie schrieb: “Das hier geschah in der Nähe unseres Hauses in Faj Attan. Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Terror meine Familie und Freunde derzeit durchleiden müssen.”

Auf Plattformen sozialer Medien äußern Ägypter ihre Ablehnung gegenüber jeglicher Beteiligung ägyptischer Bodentruppen am Krieg im Jemen.

Ägypten ist Teil eines von Saudi-Arabien angeführten Bündnisses, das den Jemen seit dem 26. März bombardiert. Nun wurde bekannt gegeben, dass Ägypten bereit sei, seine Bodentruppen in den vom Krieg zerrissenen Jemen zu senden. Gestärkt durch ihre Verbündeten am Arabischen Golf starteten Ägypten, Jordanien, Marokko, der Sudan und Saudi Arabien einen Luftangriff mit dem Namen “Decisive Storm” (Entscheidender Sturm). Der Angriff gilt den Huthi-Kämpfern, die seit Januar große Teile des Jemens kontrollieren.

Viele ägyptische Netizens erinnerten die Leser an eine durchgesickerte Aufnahme, in der der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al Sisi angeblich gesagt haben soll, dass die Staaten am Arabischen Golf “Geld hätten wie Reis”, was so viel heißen soll, als dass es Geld im Überfluss gibt und dass Ägypten aus finanziellen Gründen an diesem Krieg interessiert ist.

Sie gingen sogar soweit zu sagen, dass ägyptische Soldaten in dem im Jemen von Saudi-Arabien geführten Krieg im Austausch für Reis geopfert werden. Die ägyptische Bloggerin Nawara Negm twitterte, unter anderem an ihre 749.000 Follower, folgende scharfe Kritik:

Wenn ihr an Krieg und am Töten von Kindern nichts Falsches seht, dann solltet ihr auch kein Problem damit haben, wenn eure Soldaten im Austausch gegen Reis sterben

Sie fügt hinzu:

Wir gehen und sterben und am Ende macht ihr euch über uns lustig mit diesem Reis. Reis, der kein einziges der Kinder erreicht, die in den Landkrieg verwickelt sein werden.

In einem weiteren Tweet fragt sich Negm, warum das Parlament nicht am Entscheidungsprozess beteiligt ist:

Solange es die Wehrpflicht gibt und Kinder involviert sind, haben die Leute ein Recht darauf, sich durch das Parlament oder ein Referendum darüber zu äußern, ob ihre Kinder leben oder sterben sollen.

Im Anschluss beschreibt sie die Lage in Ägypten, wo die Regierung den Medien im Nacken sitzt und Kriegspropaganda betreibt. Negm sagt:

Wir wissen ja, wie es läuft: Propaganda in den Medien und alle, die Protest oder Widerspruch äußern, werden als Verräter, [ausländische] Agenten oder Spione gebrandtmarkt. Er wird einige Leute verhaften und dann machen, was er will.

Gemeint ist Sisi, welchen Negm nie direkt mit Namen erwähnt, wie im nächsten Tweet klar zu erkennen ist:

Er hat Gesetze auf den Weg gebracht und Kredite aufgenommen, die wir noch bis nach seinem Tod abzahlen müssen. Und er hat sich einem Krieg angeschlossen, ohne irgendjemandes Rat einzuholen. Und jetzt schickt er Menschen in den sicheren Tod, ohne um ihre Erlaubnis gefragt zu haben.

Sie schlussfolgert:

Er hat kein Recht, Leuten ihre Kinder zu entreißen und sie in einen Krieg im Jemen zu stoßen, ohne die Einwilligung des Parlaments oder eines Referendums.

Adel Zidane beschreibt die ägyptische Einmischung im Jemen als einen Krieg für “Öl im Austausch für Blut”. Er twittert:

Nein zu einem Krieg, dessen einzige Daseinsbegründung die Aussicht auf Öl im Austausch gegen Blut ist.

Im Jemen kämpfende ägyptische Truppen rufen schmerzhafte Erinnerungen an den Nordjementischen Bürgerkrieg (1962-1970) hervor. In diesem Krieg unterstützten Ägypten und die Sowjetunion die neu-gegründete Jemenitische Arabische Republik, während Saudi-Arabien und Jordanien, unterstützt von Großbritannien, auf der Seite des kurz zuvor gestürzten Imams Muhammed Al Badr kämpften. Al Badr war nach Saudi-Arabien geflüchtet, um sich dort Unterstützung zu holen. Tausende Ägypter starben in diesem Krieg.

Der Jemenit Ammar Al Aulaqi erinnert uns:

“Der Jemen ist mein Vietnam. Ich schickte eine Kompanie dorthin und musste diese letztendlich mit 70.000 Truppen verstärken.” Gamal Abdel Nasser, 1967

Auch Negm erinnert ihre Follower hieran, indem sie sagt:

Historisch gesehen, ist der Jemen Ägyptens Vietnam. Was wollen wir im Jemen tun, wenn wir noch nicht einmal wissen, was wir mit Sinai tun sollen?

Die ägyptische Armee war auf der Sinai-Halbinsel in einen Krieg gegen “Terroristen” verwickelt, darunter der Staat Sinai, eine djihadistische Gruppe die zuvor bekannt war unter dem Namen Ansar Bayt Al-Maqdis (ABM), bevor sie ihr Bündnis mit dem radikalen IS bekannt gab.

In Ägypten fragt sich Carmen, warum sich neue Kriegsfronten in der Region auftun:

Nein zum Einfall Ägyptens im Jemen. Sinai ist voll von Terroristen und IS ist in Lybien. Warum tun sie neue Kriegsfronten auf, von denen sie überfordert sind?

Sie fügt hinzu:

Macht das ohnehin schon jeden Tag stattfindende Blutvergießen dieses Landes nicht noch größer. Wir haben ein Recht darauf, uns um unsere Armee zu sorgen.

Der Ägypter Hamdy Mansour ergänzt:

Sie sagen, sie seien gegen den Einfall in den Jemen, damit unsere armen ägyptischen Soldaten nicht getötet werden! Was ist mit den Bombardements aus der Luft und den armen jemenitischen Zivilisten, die getötet werden! Das scheint ganz offensichtlich normal zu sein und, ob eine Nation lebt oder stirbt steht nicht zur Debatte.

Aus dem Libanon fasst Riena Jalal die Situation zusammen, ein zynischer Ton durchschimmernd. SIe stimmt Mansours Aussage zu und twittert an ihre 13.100 Follower:

Ein Eingreifen per Luft ist normal.
Ist es auch normal, dass Menschen durch Bombardierungen aus der Luft sterben?
Aber ein Einfall im Land bedeutet den Tod für ägyptische Soldaten.
Was für eine Schande!

Und aus Bahrain erinnert @lbanna74 ihre 2.000 Follower:

Wenn die Ägypter in Särgen zurückkehren, nennt sie nicht Märtyrer. Sie gingen im Austausch für das Geld vom Golf.

Weitere Reaktionen gibt es unter dem Hashtag #لا_لتدخل_مصر_البري_في_اليمن ,der aus dem Arabischen übersetzt soviel heißt, wie Nein zum Eingreifen Ägyptens im Jemen.

Weitere Informationen hierzu unter:  Egypt's Vietnam: Lessons from the last time Cairo waded into war in Yemen

Korrektur: Eine frühere Fassung dieses Artikels gab fälschlicherweise an, dass Pakistan an der saudischen Bombardierung des Jemens beteiligt sei. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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