Der schwarze Humor der Syrer und die Wahlen

Dieser Beitrag wurde zuvor bei Syria Untold [en] veröffentlicht.

Es überrascht nicht, dass Baschar al-Assad sich selbst bei den kommenden Wahlen am 3. Juni für das Amt des syrischen Präsidenten nominiert hat. Vor dem Hintergrund der Zerstörung, der Ermordung, der Vertreibung und der Folter ist syrische Politik ein fortwährendes, düsteres Bühnenstück, das für die Welt draußen aufgeführt wird. Die Wahlen sind dabei nur der jüngste Akt.

Cartoon on the Syrian elections, by Saad Hajo. Source: the artist's facebook page.

“Sich selbst für die dritte Amtszeit nominierend”, Karikatur zu den syrischen Wahlen von Saad Hajo. Quelle: Facebookseite des Künstlers.

Wahlen als eine Aufführung ist auch das Hauptmotiv neuerster künstlerischer und kreativer Arbeiten von Syrern. Sowohl der Ablauf als auch seine Protagonisten werden als makabres Schmierentheater dargestellt, ausgehend von den drei Kandidaten im Schlussakt: Maher Abdul-Hafiz Hajjar [en], Autor eines Artikels mit dem Titel “Assad oder keiner”, Hassan al-Nuri, ein ehemaliger Minister und von vielen als derjenige gesehen, der hinter der Wahlkampagne steckt und natürlich Baschar al-Assad.

Die Kampagne, die sich um das Motto “Sawa” (Arabisch für “gemeinsam”) dreht, hat die Straßen der Gebiete, die der Kontrolle des Regimes unterstehen, mit Fotos, Plakaten und Spruchbändern zur Unterstützung Baschar al-Assads gepflastert. Bilder der anderen beiden Kandidaten sind selten und dennoch gehen Regimegetreue so weit, die Poster von Hajjar und al-Nuri zu beschädigen, um ihrer Entrüstung Ausdruck zu verleihen, dass eine Möglichkeit bestehen könnte, jemand anders als Assad werde Präsident.

Und während das Regime die Straßen mit Wahlplakaten tapeziert, reichern Aktivisten, die sich für Freiheit einsetzen, die Räume und Plattformen des Internets mit einer explosiven Mischung aus Nachrichten, Fotos, Videos und Spruchbannern an und reagieren so auf diese Farce einer Wahl. “Die Blut-Wahlen”, “Senke deine Stimme” und “Gemeinsam werden wir ihn ins Grab bringen” sind einige der Sprüche, die als Antwort auf das surreale Motto von Assad entstanden sind.

These Are My Achievements, so Elect Me, by Abu al-Noor. Source: the artist's facebook page.

“Das sind meine Werke, also wählt mich” von Abu al-Noor. Quelle: Facebookseite des Künstlers.

Das Motto “Sawa” selbst ging auf sozialen Plattformen augenblicklich nach hinten los, da Nutzerinnen und Nutzer es mit all den vielen Beiträgen kontrastierten, die das Ausmaß der Repressionen Assads gegenüber dem syrischen Volk und die Zerstörung des Landes zeigen. “Gemeinsam töten wir” und “gemeinsam zerstören wir” sind nur einige der Kommentare, die sich an die Regimegetreuen richten und all diejenigen, die sich an der Wahlfarce beteiligen.

Der Journalist George Kadr kommentiert auf seiner Facebookseite: 

An official TV channel interviewed Maher Abdul-Hafiz Hajjar yesterday, and asked him about his life, including his income and assets, so that the audience knows everything about the candidate. I am curious to know who is going to interview Bashar al-Assad and ask him about his income and assets…

Ein offizieller Fernsehsender interviewte gestern Maher Abdul-Hafiz Hajjar und befragte ihn zu seinem Leben, auch seinem Einkommen und seinem Vermögen, damit die Zuhörer alles über den Kandidaten herausfinden. Ich bin gespannt zu erfahren, wer Baschar al-Assad interviewen und zu seinem Einkommen und seinem Vermögen befragen wird…

Der syrisch-palästinensische Karikaturist Yasser Abu Hamed [en] sagte in einem Interview mit Syria Untold, viele Aktivisten begingen den Fehler, sich auf das Fehlen der Legitimität der Kandidaten zu konzentrieren anstatt auf Baschar selbst.

You can hear activists propose alternative opposition candidates, as if the problem lies in the nature of the rivals. This only helps legitimize Assad and his illegitimate system.

Man hört Aktivisten alternative Kandidaten der Opposition vorschlagen, als liege das Problem in der Natur der Konkurrenten. Das führt nur dazu, Assad und sein illegitimes System zu legitimieren.

The Syrian Elections, by Yasser Abu Hamed. Source:  the artist's facebook page.

Die syrischen Wahlen von Yasser Abu Hamed. Quelle: Facebookseite des Künstlers.

Abu Hameds Auffassung von den Wahlen und der Unrechtmäßigkeit Baschar al-Assads spiegelt sich in seinen vielen künstlerischen Werken wider, über die Syria Untold bereits viel berichtet hat [en]. Zeichnungen und Karikaturen des Herrschers, der seine Nase in eine Wahlurne steckt, inmitten eines Sees aus Blut, eine Waffe in der Hand und auf einem Kampfstiefel thronend, grinsend vor einem blutbespritzten Spruchband, auf dem “Sawa” steht, all diese Zeichnungen wurden im Internet vielfach veröffentlicht und weit verbreitet.

Unter diesen surrealen Umständen der Schmierenkomödie von Präsidentschaftswahlen, erreicht der schwarze Humor der Syrer ganz neue Ebenen. Die wahre Ironie liegt allerdings darin, dass das Recht auf freie Wahlen einer der Gründe war, aus denen Millionen Syrer im März 2011 auf die Straße gingen und einer der Gründe, aus denen seitdem so viele ihr Leben lassen mussten. Das Regime hat es fertig gebracht, den Traum der Syrer zu einem schlechten Witz zu machen, denn es verhöhnt all ihre Ansprüche auf Freiheit und Gerechtigkeit.

The Syrian Elections, by Kamiran Shamdin. Source: the artist's facebook page.

Die syrischen Wahlen von Kamiran Shamdin. Quelle: Facebookseite des Künstlers.

Dieser Beitrag wurde zuvor bei Syria Untold [en] veröffentlicht.

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