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Sind Wirtschaftssanktionen effizient?

Kategorien: Subsahara-Afrika, Frankreich, Madagaskar, Mali, Mauretanien, Zentralafrikanische Republik, Bürgermedien, Entwicklung, Internationale Beziehungen, Politik, Recht, Regierung, Wirtschaft & Handel

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Nach der militärischen Intervention Russlands auf der Krim wurden Drohungen von Wirtschaftssanktionen [1] als Repressalien gegen die Regierung von Wladimir Putin laut. Das Weiße Haus hat bereits ein Einreiseverbot sowie das Einfrieren von Geldern [2] von dem Kreml nahestehenden Personen verkündet und die Europäische Union prüft ihrerseits ähnliche Sanktionen.

Trotzdem muss die Frage nach der Effektivität dieser Sanktionen erst noch beantwortet werden. Wirtschaftssanktionen sind als Maßnahmen gegen Länder, die die Rechtsstaatlichkeit nicht respektieren, auf dem afrikanischen Kontinent gemeinhin bekannt. So wurden in den vergangenen Jahren zum Beispiel die Zentralafrikanische Republik, Mali, Mauretanien und Madagaskar nach Staatsstreichen mit Sanktionen belegt. Diese Länder hatten infolgedessen erhebliche Schwierigkeiten, einen Ausweg aus der politischen Sackgasse zu finden und auf die Weltbühne zurückzukehren. Haben Wirtschaftssanktionen dennoch die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung beeinflusst?

Christian Chavagneux, stellvertretender Chefredaktuer von Alternatives Economiques, erinnert daran, warum es schwierig ist, effiziente wirtschaftliche Sanktionen [3] anzuwenden:  

Die Lehren aus der Geschichte lassen Zweifel an der Effektivität von Wirtschaftssanktionen aufkommen. Erinnern wir uns daran, dass durch den militärischen Boykott von Südafrika während der Zeit der Apartheid niemals der Kauf von Waffen verhindert wurde, dass die herrschende Klasse durch Desinvestitionskampagnen und Boykotte von Verbraucherprodukten nicht zusammengebrochen ist und dass die großen Banken dort immer noch weitgehend vorhanden sind.

Der Fall Madagaskar

Gegen Madagaskar wurden mit der Machtübernahme durch Andry Rajoelina im März 2009, die mit Hilfe von Teilen des Militärs zustandekam, Wirtschaftssanktionen verhängt. Nach der Aussetzung von Handelsabkommen mit den USA über das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Chancen in Afrika (African Growth and Opportunity Act, kurz AGOA) sowie der Aussetzung von Hilfen durch die Europäischen Kommission und diversen Entwicklungsagenturen, fiel das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Landes rapide und erreichte seinen tiefsten Stand seit 2002:

le PIB de Madagascar entre 2001 et 2011 - Domaine public [4]

Das BIP von Madagaskar zwischen 2001 und 2011. Bild lizenzfrei

Der Ökonom William Easterly argumentierte, nachdem er vom Entzug des AGOA-Status erfahren hatte, dass die Sanktionen nicht den verantwortlichen Schuldigen, sondern den bereits geschwächten Zivilbevölkerungen schaden würden [5] [en]:

Die USA haben Ende Dezember den AGOA-Status entzogen und Einfuhrzölle von bis zu 34 Prozent wurden wiedereingeführt. Jetzt beginnen wir die Auswirkungen auf die formelle und informelle Wirtschaft zu sehen:

  • Fabriken schließen und Fabrikarbeiter haben ihre Arbeit verloren;
  • Zunehmende Konkurrenz unter Straßenhändlern, da ehemalige Fabrikarbeiter jetzt auf überfüllten Straßenmärkten Waren verkaufen müssen;
  • Auswirkungen auf Nachbarländer (Mauritius, Swasiland, Lesotho, Südafrika), die Materialien wie beispielsweise Reißverschlüsse für madagassische Fabriken herstellten.

Auswirkungen, die wir NICHT sehen: Anzeichen für ein gesteigertes Interesse am Zustandekommen einer Vereinbarung über die Machtaufteilung oder an demokratischer Regierungsführung seitens der Regierung von Rajoelina. [Anmerkung: Der Kommentar von Easterly wurde 2009 veröffentlicht.]

Die darauffolgenden Entwicklungen werden Easterlys Argumente bestätigen. Madagaskar stürzt in eine tiefe Wirtschaftskrise, doch die Verantwortlichen der Krise sind davon nicht betroffen und werden bis zu fünf Jahre nach dem Staatsstreich an der Macht bleiben. Neue Geländewagen, die einem kleinen Kreis Privilegierter gehören [6], nehmen in bestimmten Städten überhand, obwohl ein Großteil der Bevölkerung in kurzer Zeit verarmt [7] [de]. 2013 lebten 90 Prozent der Madagassen von weniger als zwei US-Dollar pro Tag.

Wirtschaftssanktionen, dann militärische Intervention in Mali

Nach der Machtübernahme durch Hauptmann Sanogo [8] [de] und seiner Truppen im Jahr 2012, kündigte die internationale Gemeinschaft sofort Sanktionen [9] an und stellte ihre Entwicklungshilfe [10] für Mali ein. Doch die Situation verschlechterte sich mit der Spaltung des Nordens des Landes [11] [de] durch Rebellengruppen und dem Beginn der internationalen militärischen Intervention unter der Führung Frankreichs zusehends.

distribution de nourriture pour les réfugiés maliens - via wikimédia commons CC-BY-NC  [12]

Verteilung von Nahrungsmitteln an malische Flüchtlinge. Foto: Wikimedia unter der Creative Commons Lizenz (CC-BY-NC)

Der Abschlussbericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen UNDP und des malischen Ministeriums für Humanitäre Hilfe über die Auswirkungen der Krise macht die negative Wirkung der Sanktionen [10] für die Wirtschaft des Landes und die Abhängigkeit des Landes von Entwicklungshilfe deutlich:

Die Wirtschaftssanktionen sind zum einen Teil durch die Aussetzung von Entwicklungshilfe durch die fachlichen und finanziellen Partner und zum anderen Teil durch das wirtschaftliche Embargo gekennzeichnet, das durch die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verhängt wurde.

Die Folgen dieser Ereignisse wurde durch folgende Aspekte deutlich:

  • die Aussetzung der Zusammenarbeit mit den Partnern;
  • der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit (Investition, Produktion, kommerzielle und Bankentätigkeit, Import/Export, Inflation);
  • die Abnahme der Kaufkraft der Bevölkerung durch den Anstieg des Verbraucherpreisindexes, die Verschlechterung des Vertrauens der Wirtschaftsakteure (Unsicherheiten);
  • der Rückgang der Haushaltseinnahmen (Überprüfung des Haushalts, usw. … );
  • der Rückgang von Ausgaben zugunsten des sozialen Sektors (Rahmenstrategie für Wachstum und Armutsbekämpfung CSCRP, Millennium-Entwicklungsziele, usw.).

[…] Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Sicherheits- und politischen Krise liegt in der sehr großen Abhängigkeit Malis von seinen Außenbeziehungen.

Noch einmal, die verhängten Sanktionen haben einer bereits schon geschwächten Bevölkerung geschadet und haben nicht zu einer Rückkehr zu guter Regierungsführung beigetragen, da eine militärische Intervention von außen nötig war, um das Land zu stabilisieren.

Es scheint, dass die internationale Gemeinschaft aus diesen Ereignissen gelernt hat. Die jüngst vorgeschlagenen Maßnahmen scheinen jetzt viel konkreter gegen die Verantwortlichen gerichtet zu sein, wie die vorgeschlagenen Sanktionen gegen Russland zeigen.

Allerdings bleiben Fragen über die Gründe für die Anwendung von Sanktionen für bestimmte Länder unbeantwortet. Wirtschaftliche Interessen der Länder scheinen ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidungsfindung der internationalen Gemeinschaft zu sein.