Mali: Weltkulturerbe Timbuktu in Gefahr

Auf der ganzen Welt beschwört der Name Timbuktu eine besondere, majestätische Aura herauf [en]. Doch der Krieg im Norden Malis und die Anwesenheit von Extremistengruppen sind eine ernste Bedrohung für Timbuktu. In einer Pressemitteilung hat die Generaldirektorin der UNESCO Irina Bokowa ihre Besorgnis über das Risiko, das die Kämpfe für das Weltkulturerbe Timbuktu darstellen, zum Ausdruck gebracht:

D’après des informations récentes publiées par la presse, les rebelles ont pénétré dans le site et des tirs y ont été entendus. Le Mali compte trois autres sites du patrimoine en plus de Tombouctou : les Villes anciennes de Djenné, les Falaises de Bandiagara (pays dogon) et le Tombeau des Askia.

Laut neuen Presseinformationen sind die Rebellen in die Stätte eingedrungen und es wurden Schüsse gehört. Außer Timbuktu hat Mali noch drei weitere Welterbestätten: die Altstadt von Djenné [fr], die Felsen von Bandiagara im Gebiet der Dogon und das Grabmal von Askia.

Die Sankoré-Moschee in Timbuktu. Creative Commons Lizenz Attribution-Share Alike 3.0

Im 15. und 16. Jahrhundert war Timbuktu ein Zentrum der Kultur und der Verbreitung des muslimischen Glaubens. An den Universitäten der Stadt unterrichteten Gelehrte aus allen Teilen der muslimischen Welt. Heute hat Timbuktu noch drei große Moscheen: Sidi Yahia, Djinger-ber und Sankoré. Die Moscheen stammen aus der Blütezeit der Stadt, doch heute drohen sie im Sand zu versinken. Vor allem aber besitzt Timbuktu eine große Zahl von Büchern.

Doch es ist zu befürchten, dass die Menschheit diesen unermesslich kostbaren Schatz nun, da die Bevölkerung vor den Kämpfen der letzten Tage in die Nachbarländer oder andere Teile Malis flieht, für immer verlieren wird. Christelle Marot, eine Journalistin und Bloggerin aus Casablanca, schreibt [fr] in einem Artikel über die Reichtümer von Timbuktu auf africultures.com:

Ces 25 000 manuscrits ne seraient que le sommet de l'iceberg. On estime à près de 100 000 le nombre d'écrits aux mains des familles de Tombouctou, sans compter les collections privées détenues par les habitants des régions de Kidal, Gao, Ségou ou Kayes, qui pourrait conduire au chiffre édifiant de 700 000, voire un million pour le Mali et la sous-région. Certains ouvrages, soustraits aux regards et aux pillages des étrangers durant la colonisation, seraient encore enfouis sous le sable.

Diese 25.000 Manuskripte sind wohl nur die Spitze des Eisbergs. Man schätzt, dass die großen Familien von Timbuktu fast 100.000 Handschriften besitzen, und darin sind die Privatsammlungen der Bewohner der Regionen Kidal, Gao, Ségou und Kayes noch nicht eingerechnet. Mit ihnen könnte die Zahl auf 700.000 steigen, vielleicht sogar eine Million in Mali und den Nachbarländern. Einige Werke, die in der Kolonialzeit vor den Blicken und Raubzügen der Ausländer versteckt wurden, sollen immer noch im Sand vergraben sein.

Zum Anlass einer von der Bibliothek Fondo Kati in Timbuktu organisierten Ausstellung, die eine Renaissance der spanisch-muslimischen Kultur fördern und das gemeinsame Erbe und die engen Beziehungen, die früher spanische Regionen und Städte wie Andalusien und Toledo mit der Nigerschleife verbanden, bekannter machen soll, schrieb [fr] die Journalistin Salimata Diouara:

Selon M. HAÏDARA, l'explorateur Mahmoud Kati a laissé derrière lui plusieurs milliers de manuscrits, écrits en arabe, en hébreu et en espagnol, actuellement conservés dans la bibliothèque familiale Fondo Kati de Tombouctou. Cette bibliothèque a été créée par Mahmoud Kati, fils d'Ali Ben ZIYAD et de Kadidia SYLLA qui est la grande sœur de l'empereur Askia Mohamed. Elle comprend 14.000 manuscrits dont 7.000 sont déjà répertoriés.

Ismaël Haïdara erzählt, der Entdecker Mahmoud Kati habe mehrere Tausend Handschriften auf Arabisch, Hebräisch und Spanisch hinterlassen, die derzeit in der Familienbibliothek Fondo Kati in Timbuktu aufbewahrt werden. Die Bibliothek wurde von Mahmoud Kati gegründet, dem Sohn von Ali Ben Ziyad und Kandidia Sylla, der älteren Schwester des Kaisers Askia Mohamed. Sie umfasst 14.000 Handschriften, von denen 7.000 bereits katalogisiert worden sind.

Laut der Seite tombouctoumanuscripts.org hat Südafrika den Bau des Studienzentrums Nouvel Institut Ahmed Baba [fr] mit 2,5 Milliarden CFA-Francs (381.000 Euro) finanziert [fr]. Das Zentrum verfügt über Räumlichkeiten von 4.800 m², darunter ein Hörsaal mit 500 Plätzen, ein Konferenzsaal mit 300 Plätzen und eine Bibliothek, und es

possède actuellement une collection d’environ 30000 manuscrits collectés grâce aux efforts de quelques personnalités exceptionnelles telles que le Dr Mahmoud Zubayr, premier directeur du centre, et Abdul Kader Haidara qui a travaillé pour CEDRAB avant d’établir sa bibliothèque personnelle. Ce chiffre de 30000 manuscrits est encore quelque peu conservateur si l’on considère le nombre estimé de manuscrits existant dans la région.

besitzt derzeit eine Sammlung von rund 30.000 Handschriften, zusammengetragen dank der Anstrengungen außergewöhnlicher Persönlichkeiten wie Dr. Mahmoud Zubayr, dem ersten Leiter des Zentrums, und Abdul Kader Haidara, der für das Vorgängerzentrum CEDRAB gearbeitet hat, bevor er sich seine eigene Bibliothek eingerichtet hat. 30.000 Manuskripte sind noch eine vorsichtige Schätzung, wenn man die Zahl der vermutlich in der Region vorhandenen Schriften bedenkt.

Christelle Marot bemerkt [fr] in ihrem oben zitierten Artikel auf Africultures:

l'Arabie Saoudite et le Koweït ont donné près de 45 millions de francs CFA [Euros 68 602]au centre Ahmed Baba, outre les actions déjà menées par l'Unesco, la Norvège et le Luxembourg. ” Pour les privés, ce sont des fondations qui interviennent largement….”.
Zusätzlich zu den Hilfen der Unesco, Norwegens und Luxemburgs haben Saudi-Arabien und Kuwait dem Zentrum Ahmed Baba fast 45 Millionen CFA-Francs [68.602 Euro] zur Verfügung gestellt. “Den Privatbibliotheken helfen hauptsächlich Stiftungen…”

Die schwarze Fahne der islamischen Fundamentalisten weht über Timbuktu. Von Boubacar Bah auf Twitter

Was wird nun aus diesem Schatz der Menschheit werden? Nach der blitzartigen Eroberung Timbuktus durch die Tuareg-Rebellen und die islamistischen Bewegungen Ansar Dine und al-Qaida im Maghreb (AQIM) herrscht weltweit große Sorge in Bezug auf diese Frage. In einem Artikel mit dem Titel “Après les Bouddhas de Bamyan, les manuscrits de Tombouctou?” [fr] (“Nach den Buddha-Statuen von Bamiyan jetzt die Manuskripte von Timbuktu?”), zitiert Hervé Bar den Leiter des Institut fondamental d'Afrique noire (IFAN) in Dakar, Hamady Bocoum:
“Des manuscrits uniques (près de 100.000) sont conservés depuis plusieurs siècles à Tombouctou, ville savante, ville des 333 saints, où pratiquement chaque concession est un patrimoine, une bibliothèque “Possession des grandes lignées de la ville, ces manuscrits, les plus anciens remontant au XIIe siècle, sont conservés comme des trésors de famille dans le secret des maisons, des bibliothèques privées, sous la surveillance des anciens et d'érudits religieux.Ils sont pour la plupart écrits en arabe ou en peul, par des savants originaires de l'ancien empire du Mali. Ces textes parlent d'islam, mais aussi d'histoire, d'astronomie, de musique, de botanique, de généalogie, d'anatomie…Autant de domaines généralement méprisés, voire considérés comme “impies” par Al-Qaïda et ses affidés jihadistes. L'exemple funeste des Bouddhas de Bamyan, dans le centre de l'Afghanistan, vient immédiatement à l'esprit.
“Einzigartige Handschriften (fast 100.000 Stück) werden seit Jahrhunderten in Timbuktu – der Stadt der Weisen, der 333 Heiligen, wo fast jedes Grundstück eine Bibliothek, ein wertvolles Erbe ist – aufbewahrt.” […] Diese Handschriften, von denen die ältesten aus dem 12. Jahrhundert stammen, befinden sich im Besitz der wichtigen Familien der Stadt. Unter der Aufsicht von Familienältesten und Religionsgelehrten werden sie in den Tiefen der Häuser und der Privatbibliotheken wie Schätze gehütet. Die meisten wurden von den Gelehrten des ehemaligen Malireiches auf Arabisch oder Fulfulde verfasst. Die Schriften handeln vom Islam, aber auch von Geschichte, Astronomie, Musik, Botanik, Genealogie, Anatomie… Alles Gebiete, die von Al-Qaida und ihren jihadistischen Handlangern im Allgemeinen verachtet oder sogar als “gotteslästerlich” angesehen werden. Dabei kommt einem sofort das unselige Beispiel der Buddha-Statuen von Bamiyan im Zentrum Afghanistans in den Sinn.

 Guy Alain Bembelly [fr] erinnert daran, dass die Stadt seit 1988 Weltkulturerbe ist:

Tombouctou est un vrai grenier du savoir didactique dans les domaines de l’astronomie, de la musique, de la botanique, de l’histoire (sur l’histoire du Soudan au xve siècle). Le centre de documentation et de recherches Ahmed-Baba (Cedrab), fondé en 1970 avec l’aide de l’UNESCO, recueille certains de ces manuscrits pour les restaurer et les numériser. Ce trésor culturel est à préserver. Il faut y aller…

Timbuktu ist ein wahrer Hort des Wissens und der Lehre auf den Gebieten der Astronomie, der Musik, der Botanik, der Geschichte (vor allem der Geschichte des Sudans im 15. Jahrhunderts). Das 1970 mit Hilfe der UNESCO gegründete Centre de documentation et de recherches Ahmed-Baba (Dokumentations- und Forschungszentrum Ahmed Baba, kurz Cedrab) sammelt einige dieser Manuskripte, um sie zu restaurieren und zu digitalisieren. Dieser kulturelle Schatz muss bewahrt werden. Man muss einschreiten…

In seinem Post zitiert [fr] Bembelly einige Gedichte von Gelehrten, die in Timbuktu gelebt haben, darunter dieses hier von Ahmed Baba [fr] (1556-1627), das auch an der Wand des nach ihm benannten Zentrums hängt:

Ô toi qui vas à Gao fais un détour par Tombouctou. Murmure mon nom à mes amis et porte-leur le salut parfumé de l’exilé qui soupire après le sol où résident sa famille, ses amis, ses voisins.

Oh Reisender, der du nach Gao gehst, mach einen Umweg über Timbuktu. Flüstere meinen Freunden meinen Namen zu und bringe ihnen die besten Grüße des Verbannten, der sich nach dem Boden sehnt, auf dem seine Familie, seine Freunde, seine Nachbarn leben.

Leider lässt die Entwicklung der Dinge keinen Zweifel daran, dass auf militärischer Ebene das schlimmste Szenario zu befürchten ist. In der Tat scheint die Nationale Bewegung für die Befreiung des Azawad (Mouvement national de libération de l'Azawad oder MNLA), die ihre Säkularität und das Bemühen um eine gewisse Respektabilität betont, von den extremistischeren Gruppen zurückgedrängt zu werden. Ein Artikel der Seite slateafrique.com zitiert [fr] Moussa Haïdara, einen Kameramann, der den Einzug der Fundamentalisten von Ansar Dine nach Timbuktu unter der Führung des Tuareg Iyad Ag Ghaly gefilmt hat:

Ils sont venus avec cinquante véhicules. Ils ont pris la ville, chassé les gens du MNLA et brûlé leur drapeau, pour mettre à la place le leur sur le camp militaire de la ville.

Sie sind mit 50 Fahrzeugen gekommen. Sie haben die Stadt eingenommen, die Leute von der MNLA vertrieben und deren Fahne verbrannt, um dann über dem Militärläger der Stadt ihre eigene zu hissen.

Es besteht kein Zweifel, dass die Welt gerade dem Anfang einer langen Terrorherrschaft beiwohnt, die alle Kultur zerstören und die ganze Sahelregion destabilisieren könnte.

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