Venezuela: Sänger Onechot wird Opfer der von ihm verurteilten Gewalt

Juan David Chacón ist ein Reggaesänger, sein Künstlername ist Onechot [es], in Spanish ausgesprochen hört sich das ähnlich an wie “Juancho”, in Englisch wie “One Shot”. Viel von seiner Arbeit als Reggaekünstler widmet er Botschaften des Friedens.

In der Nacht von Montag, dem 27. Februar 2012, wurde Onechot auf dem Weg, einen Teil seines aufgenommenen Materials abzuholen, von einer Gruppe Krimineller angegriffen und am Kopf angeschossen. Der Künstler sollte am Dienstag die nationale Tour seines neuen Albums beginnen, jedoch, befindet er sich aufgrund dieses Vorfalls nach einer Operation, die nötig war, um die Kugel aus seinem Gehirn zu entfernen, in Intensivbehandlung.

Foto von Onechot, von David Maris

Foto von Onechot, von David Maris

Onechot nahm ein Video mit dem Titel “Rotten Town” auf, in dem er die Gewalt in Venezuela denunzierte. Der Text seiner Musik beschreibt die Situation:

Darf ich Dir Caracas vorstellen, Botschaft der Hölle, Land der Mörder und Gangster. Hundert Leute sterben jede Woche, wir leben im Krieg, das Land ist voll mit Freaks.

Allein 2011 wurden 19.000 Leute in Venezuela umgebracht, ein Land mit 28 Millionen Einwohnern, welches sich im Moment nicht in einem Krieg gegen Drogen befindet, wie etwa Mexiko, oder in einem bewaffneten Konflikt, wie Kolumbien. 2008 hatte Venezuela eine der höchsten Mordraten [en] der Welt und die Situation hat sich nicht verbessert. Dies ist die Krise, die Onechot in seinem Video ansprach, welches zu jenem Zeitpunkt von der venezolanischen Regierung kritisiert wurde:

2010, als Rotten Town veröffentlicht wurde, drohte Tania Diaz, ehemalige venezolanische Ministerin für Kommunikation und Information, mit einer rechtlichen Klage [es] gegen Onechot, da das Musikvideo, gemäß offizieller Quellen, “effekthascherische Bilder von Gewalt” zeige.

Das Verbrechen gegen den Sänger führte zu einem Protest in sozialen Netzwerken und wurde bei Twitter mit den Hashtags #Onechot und #Fuerza Onechot (Wir unterstützen Onechot) zum Trending Topic. Die meisten Tweets zeigten Überraschung und Entrüstung, dass ein Aktivist des Friedens nun Opfer dessen wurde, was er mit seiner Musik verurteilt hatte.

Jogreg Henriquez demonstrierte das mit seinem Post “Onechot hat es vorausgesehen” [es]:

Onechot entró a formar parte de las estadísticas de las víctimas de los actos criminales que tienen a Caracas como una de las más peligrosas del mundo. Decenas de asesinatos cada fin de semana así lo atestiguan. Decenas de familias de luto frente a una morgue colapsada por tanto dolor y tanto olor a muerte.

Onechot wurde Teil der Opferstatistik der Verbrechen, die Caracas zu einer der gefährlichsten Städte der Welt gemacht haben. Dutzende von Morden jedes Wochenende bestätigen dies. Dutzende von Familien trauern in Leichenschauhäusern, voll von Schmerz und dem Geruch von Tod.

In dem Blog Panfleto Negro, dem ältesten Blog Venezuelas, warnt der Autor Luis1210 schon seit Monaten, dass die Regierung versucht, die Gesellschaft für die momentane Gewalt im Land zu beschuldigen. Er beschreibt das in seinem Post mit dem Titel “Onechot, Du bist schuld” [es]:

El gobierno desde hace tiempo nos quiere vender una gran falacia con respecto a la inseguridad. Quiere convertirnos en corresponsables de la seguridad ciudadana para de esa forma echarnos los muertos a nosotros. Si aceptamos esa responsabilidad de manera automática aceptamos también la culpa. Y he ahí el porqué del título, no he dejado de leer en twitter estupideces como que OneChot se lo buscó o lo atrajo cósmicamente por haber elegido ese nombre artístico o que andaba “ostentando riqueza” o cualquier estupidez. Cuando lo cierto es que OneChot es un tipo que se atreve a hacer reggae de protesta, algo que hoy en día parece olvidado.

Seit langer Zeit will uns die Regierung einen Trugschluss über die Gewalt und Unsicherheit im Land zu verkaufen. Sie will, dass wir Verwalter der öffentlichen Sicherheit werden, was uns somit auch anfälliger macht, zu Opfern von Morden zu werden. Falls wir die Verantwortlichkeit dafür akzeptieren, akzeptieren wir damit automatisch auch die Schuld. Hierin liegt die Argumentation für meinen Titel. Alles was ich im Twitter gelesen habe, sind unsinnige Posts darüber, dass Onochet selbst verantwortlich war für das, was ihm zugestoßen ist, dass er die Gewalt kosmisch angezogen hat aufgrund seines künstlerischen Alias, oder weil er seinen Reichtum zur Schau stellte. Und noch mehr ähnliche Dummheiten. Die Wahrheit ist, dass Onechot ein Mann ist, der es wagt Reggaemusik zu machen, die als Protest benützt werden kann, etwas, das heutzutage in Vergessenheit zu geraten scheint.

Inti Acevedo ist derselben Meinung (@Inti [es]). Er kritisiert die Selbstzensur anderer Künstler, die die gesellschaftlichen Probleme in Venezuela denunzieren:

Cuando @Oneshot sacó el video que denuncia la violencia en Venezuela se ganó mi respeto. Un rebelde de verdad en un país de rockeros cobardes

Als @Oneshot sein Video veröffentlichte, in dem er die Gewalt in Venezuela anprangerte, hat er meinen Respekt gewonnen. Ein wahrer Rebell in einem Land voll von feigen Rockern.

Unterdessen schrieb der Poet @WillyMcKey in einem Beitrag für das Blog Prodavinci [es], wie das Land vorwärtsgehen und die Gewalt in seiner Vergangenheit lassen sollte:

Quienes deben asegurarnos la vida ven llover sangre ajena, pisan nuestros charcos y se esconden detrás de sí mismos, como si el país fuese un hombre hospitalizado, como si la ciudad solamente necesitara condiciones antisépticas. Como si el miedo fuera una estrategia.
Mientras inventan una guerra en el espejo, afuera disparan consecuencias de la ineficacia.
Mientras buscan a quien echarle la culpa, afuera toma forma la muerte cada noche.
¿Cuándo vamos a poder cerrar los ojos para que la lluvia nos permita una sonrisa nueva? Sólo cuando mudemos Rotten Town muy lejos, a ese lugar donde reposa lo podrido: el pasado.

Wer muss dafür sorgen, dass das Leben weitergeht, nach dem blutigen Regen, der sich ansammelt und blutige Pfützen bildet, in welche Leute trampeln, die sich hinter sich selbst verstecken, als ob das Land ein Mann im Krankenhaus wäre, als ob das Land nur antiseptische Voraussetzungen bräuchte, um zu überleben, und als ob Angst eine Strategie wäre.
Während sie einen Krieg im Spiegel erfinden, fallen draußen die Schüsse, die von den Konsequenzen der Ineffizienz herrühren.
Während sie nach einem Schuldigen suchen, wird draußen jemand umgebracht.
Wann werden wir unsere Augen schließen, damit der Regen unsere Traurigkeit weg wäscht und wir uns wieder erlauben zu lächeln? Nur wenn wir Rotten Town an einen entlegenen Ort bringen, an den Ort, wo alle verdorbenen Dinge liegen: die Vergangenheit.

Jaqueline Goldberg [es] ist eine Autorin und Freundin von Onechots Eltern. Sie schreibt auf ihrer Facebook Seite:

Ich weiß nicht, wie ich heute Nacht schlafen kann, mit dem Wissen, dass Juan David Chacón Benítez, der Sohn und Bruder von lieben Freunden, sich in Behandlung befindet mit einer Kugel in seinem Gedächtnis. Wie kann ich morgen gehen und die Wörter “Land” und “Nacht” ohne Wut sprechen. Im Moment habe ich Angst, ich fühle mich schwerfällig und stumm. Empörung eines Bürgers.

Trotz der offiziellen Kritik lobte der Filmemacher Sergio Monsalve 2010 die Qualität des Videos des Sängers. Er kam zurück zu seinem ursprünglichem Post über das Thema [es] und fügte hinzu:

Dies ist mein Grund warum “Rotten Town” eines der besten Videoclips des dritten Millenniums ist und eines der großartigsten in der Geschichte von Venezuela. Ich komme hier wegen der Ereignisse der letzten Zeit, die Onechot betreffen, darauf zurück. Ich veröffentlichte es im August 2010. Unglücklicherweise nimmt es heute eine neue Bedeutung an. In Venezuela geht die Zeit weiter, doch die Probleme werden schlimmer, vor allem die Verbreitung der Unterwelt. Unser wahrer Krebs in der Gesellschaft ist der Mangel an Sicherheit. Ist das eine Krankheit ohne Kur? Es ist dringend an der Zeit ein Heilmittel zu finden.

Während das Land das Ergebnis von Onechots Intensivbehandlung erwartet, steigern sich die Proteste in den sozialen Netzwerken, und bis sich die Situation verbessert, porträtieren Künstler wie Ricardo Crovato Caracas als “Rotten Town”.

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