Slowakei: Kein Geld für Griechenland

Dieser Artikel wurde von Sonja Collet, Victoria Engel, Dominika Ktacz, Jan Maintz, Carolin Obermaier, Simone Riga und Patrick Wedekind, Studierende des FTSK Germersheim, unter der Leitung von Nadine Scherr im Rahmen des Projektes „Global Voices“ übersetzt.

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise.

Nach acht Jahren, in denen zahlreiche Reformen zur Reduzierung von Staatsverschuldung und Haushaltsdefiziten zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien umgesetzt wurden, entschieden sich die slowakischen Wähler 2006 für ein Ende dieser Politik. Der neue Ministerpräsident Robert Fico gab jedoch dem Druck der heimischen Wirtschaft nach und änderte seinen vor der Wahl eingeschlagenen politischen Kurs [en]. Dadurch konnte das Haushaltsdefizit unter 3 % des BIP gehalten werden und die Slowakei wurde im Januar 2009 Mitglied des Euroraums.

Ab diesem Zeitpunkt verlor Fico allerdings, ähnlich wie die Regierungen vieler anderer Euro-Länder zur gleichen Zeit – oder bereits davor – seine Furcht vor einer Erhöhung der Staatsausgaben, ohne dass höhere Staatseinnahmen verzeichnet werden konnten, was 2009 zu einem Defizit von 8 % führte. Es ist zwar verständlich, dass dies im Falle einer kleinen Volkswirtschaft, die besonders eng mit der deutschen Wirtschaft verbunden ist, mit der wirtschaftlichen Gesamtlage weltweit zusammenhängt. Dennoch berufen sich Ficos Gegner gerne auf seine Worte aus dem Jahr 2008, als er Folgendes sagte: „Die Slowakei wird sich nicht durch die Krise belehren lassen.“

Bald verbreitete sich die Nachricht über Griechenlands hohe Auslandsverschuldung, vor allem gegenüber deutschen und französischen Banken. Häufig zitiert wurde ein Interview mit Stefanos Manos [en] in einer tschechischen Zeitung [cz], in dem er die alarmierende Situation in Griechenlands staatlichem Sektor beschrieb: hohe Gehälter und lebenslange Arbeitsplatzgarantien, Renten nahezu auf Gehaltsniveau, Überbeschäftigung in staatlichen Unternehmen. Daraufhin wurden auch noch die Berichte [sk] über Griechenlands laufende Verteidigungsausgaben publik.

Die unvorteilhafte Darstellung Griechenlands [sk] in den slowakischen Medien hielt den griechisch-stämmigen Blogger Maximos Dragounis aus der Slowakei nicht davon ab, Griechenlands Verschuldungsgeschichte [sk] folgendermaßen zu beschreiben: „[Konstantinos Karamanlis] … begann, Griechenland in die Verschuldung zu treiben … Es wurden Fabriken gebaut und Unternehmen gegründet, die Griechenland nicht brauchte.“

Als 2010 in der Slowakei die Parlamentswahlen stattfanden, wurde Ficos Politik bereits oft mit der Griechenlands verglichen, zum Beispiel wegen seines Versprechens eines 13. Monatsgehalts. Wie erwartet, forderte die Opposition die Regierung zu verantwortungsvollem Handeln auf, doch das Defizit war schon vor den Wahlen erheblich.

Nach dem Krisengipfel der Währungsgemeinschaft stellte der Ministerpräsident einen Plan zur finanziellen Unterstützung Griechenlands vor, der eine weitere Erhöhung des slowakischen Staatsdefizits um 1,4 % des BIP vorsah. Die Opposition reagierte kritisch [sk] auf diese sogenannte Solidarität mit Griechenland und bezeichnete sie als unverantwortlich. Als der Block des Ministerpräsidents vor den Parlamentswahlen über die Mehrheit der Sitze verfügte, hatte man nicht den Mut, für eine Maßnahme zu stimmen, die so wenig mitgetragen wurde. Selbst nach den Wahlen stimmte Ficos Partei nicht dafür. Die neue Regierung behielt ihre ursprüngliche Oppositionslinie bei und versprach, das Staatsdefizit innerhalb weniger Jahre auf unter 3 % des BIP zu senken. Einen Kredit für Griechenland lehnte sie ab.

Da sich die Slowakei weigerte, am griechischen Rettungspaket teilzunehmen, geriet sie unter Druck seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) . Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge [en] erklärte der EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, dass die EZB zukünftigen Euro-Anwärtern keine Unterstützung bieten werde, sollte das Risiko eines ähnlichen Verhaltens bestehen.

Vor kurzem wurde in einem Kommentar in einer slowakischen Zeitung [sk] behauptet, dass die EZB unter Trichets Leitung griechische Anleihen kaufe, um den französischen Banken zu helfen, die das Risiko eingingen, in Griechenland zu investieren. Aus demselben Grund änderte auch Angela Merkel angeblich ihre negative Meinung zur Gewährung eines Kredits für Griechenland. Auch der im April 2009 veröffentlichte Jahresbericht der EZB für 2008 enthält keine besorgniserregenden Anzeichen für einen drohenden Kollaps Griechenlands.

[sk] Auf eine slowakische Version des Reuters-Berichts folgten über 1.400 Kommentare, vornehmlich dieser Art:

Binky:
Ich habe eine großartige Idee. Erhöhen wir die slowakischen Löhne, Renten, Sozialleistungen, einfach alles … leihen uns von den französischen und deutschen Banken Geld und sagen dann, dass wir keine Mittel haben, um unsere Schulden zurückzuzahlen. Dann wird uns jeder helfen und wir verbessern unseren Lebensstandard um mindestens 200 %.
Element:
Jetzt ist also nur die Slowakei für die Probleme verantwortlich, während Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und Italien eigentlich unschuldige Opfer sind?
Lubomír Pastorek:
… und mich würde interessieren, ob Trichet ein Land wie Griechenland akzeptieren würde?

Timmy_A:

Es wäre besser wenn er [Trichet]selbst in den Spiegel schauen würde. Was hat er in den zehn Jahren gemacht, dass er nicht gemerkt hat, wie die Griechen ihre Bilanzen manipuliert haben? Welche Sanktionen würden gegen Länder verhängt werden (und das betrifft fast alle Länder im Euroraum), deren Staatsverschuldung 3 % überschreitet? Die EZB hätte Menschen wie ihn schon längst feuern sollen.

GeoRW:

Trichet sollte sich lieber um seinen eigenen Arbeitsplatz sorgen.

almoska:

Ich habe einen Vorschlag für Herrn Trichet: Lasst ihn von 600-700 Euro im Monat leben und den Rest seines Einkommens kann er den Griechen geben.

ithilis_quo:

Wenn ich also im Euroraum bleiben möchte, muss ich nach Griechenland ziehen, weil die Slowakei ihn zerstört hat.

Fero s dlhym…. menom…:

Ich verstehe es nicht, wieso hat er nicht [genauso schroff] über Griechenland gesprochen?

kornel2:

Er versteht nicht, dass wir die deutschen Investitionen in Griechenland nicht retten werden. […]

markus:

Es geht keinesfalls um die deutschen Banken – in Griechenland haben sie nur 30 Milliarden Euro investiert. Es geht um Italien, Spanien, Irland und viele andere Länder, die durch die Krise Griechenlands und des Euros in den Bankrott getrieben würden.

Die Meinung mit der größten Zustimmung auf die tschechische Version [cz]:

Roman Mrózek, Bohumín:

Ein armes Land soll sich verschulden, um einem reicheren Land zu helfen?

Lukáš Bucek fordert in einem Blogpost [sk] schon im Titel: „Slowakei raus aus dem Euroraum“:

Gestern sorgte der Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, teils für Belustigung, teils für Empörung. Er sagte, wenn sie bei der EZB gewusst hätten, wie wir uns verhalten würden, hätten sie uns erst gar nicht in den Euroraum aufgenommen.

Schauen wir uns das genauer an. Der Euro basiert auf drei Säulen:

1. Die Bindung an den [Stabilitäts- und Wachstumspakt]
2. Die Regelung, dass die EZB keine Staatsanleihen von Mitgliedstaaten des Euroraums kauft
3. Die „No-Bailout“-Klausel (Nichtbeistands-Klausel), die den Mitgliedsstaaten verbietet, sich untereinander Kredite zu gewähren

Wir werden von Frankreich und Deutschland kritisiert. Beide Länder haben schon gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen. Genauer gesagt, haben sie es nicht geschafft, ihr Haushaltsdefizit unter 3 % zu halten.
Griechenland erfüllte am 19. Juni 2000 offiziell die Beitrittskriterien zum Euroraum; aber heute wissen wir, dass das in Wirklichkeit nicht geschah.

Wir werden von Jean-Claude Trichet kritisiert. Als Chef der Europäischen Zentralbank ist er dafür verantwortlich, dass die EZB griechische Anleihen gekauft und somit gegen den Grundsatz der zweiten Säule verstoßen hat.

Wir werden von den übrigen Ländern des Euroraums kritisiert, obwohl wir das einzige Mitgliedsland sind, das die No-Bailout-Klausel noch nie gebrochen hat. Ist es normal, dass man uns dafür kritisiert, die Regeln nicht gebrochen zu haben?

Und wofür sollen wir zahlen? Griechenland hatte horrende Rüstungsausgaben – auch in Friedenszeiten. 2009 betrug das Budget des griechischen Verteidigungsministeriums 6,582 Milliarden Euro; in diesem Jahr wurde es auf 5,73 Milliarden Euro gesenkt. [OECD]-Länder geben durchschnittlich 7,2 % des BIP für Rentenzahlungen aus, während Griechenland 11,5 % aufwendet. Wir geben lediglich 6,2 % des BIP dafür aus.

Interessanterweise konnte ich nirgendwo eine Erklärung der EU, des Euroraums oder der EZB finden, in der sie ihr Bedauern ausdrücken, Griechenland aufgenommen zu haben…

Dieser Bericht ist Teil unseres Dossiers über Europa in der Krise.

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