Nigeria: Eine Debatte über Pädophilie, Scharia und ‘zwei’ Nigerias

Ahmad Sani Yerima. Quelle: Wikimedia commons

Die Schlagzeile ist wie gemacht für die Boulevardpresse: Nigerianischer Senator heiratet 13-jähriges Mädchen. Wie so viele Nachrichten aus Nigeria in der letzten Zeit wäre die Geschichte in einem Nollywood Drehbuch besser aufgehoben als in der politischen Landschaft von Afrikas bevölkerungsreichstem Land.  Und wie so oft bei Nachrichten aus Nigeria ist diese reißerische Schlagzeile in der internationalen Presse nur die Spitze eines komplexen politischen Eisberges.

Der Hintergrund ist folgender: Ahmad Sani Yerima, Senator und ehemaliger Gouverneur von Zamfara State im Norden Nigerias, wurde vor einigen Wochen angeklagt ein 13-jähriges ägyptisches Mädchen geheiratet zu haben. Bald gab es weitere Details. Angeblich zahlte Yerima den Eltern des Mädchens 100.000 USD Aussteuer, der Vater des Kindes sei Yerimas Fahrer, die Hochzeit musste in Nigeria stattfinden, um rechtliche Konsequenzen in Ägypten zu vermeiden. Blogger, Rechtsanwälte, Aktivisten und Mediziner protestierten vehement als die Geschichte ans Licht kam. Frauenrechtsorganisationen sorgten sich um die Gesundheit des Mädchens, weil das Mädchen vesikovaginale Fisteln (VVF) [krankhafte Verbindung zwischen Harnblase und Vagina; Ursachen sind oft Verzögerungen bei der Geburt oder eine Vergewaltigung (Anm. d. Übersetzers)] ausgeliefert sei. Menschenrechtsorganisationen sahen einen Fall von Kinderhandel gegeben.

In einem Gebiet, bei dem die Meisten an den “Kampf der Kulturen” denken und Terrorismus die internationale Wahrnehmung dominiert kann es schwierig sein zwischen Persönlichem und Politischem zu unterscheiden. Yerima ist seit langem umstritten, weil er diesen Spagat strapaziert: Er war einer der Politiker, die im Norden Nigerias wieder die Scharia einführten, 2006 kam er in die Presse mit der Heirat eines 15-jährigen Mädchens, von dem er sich zwei Jahre später scheiden lies. Nigeria ist grob geteilt in einen mehrheitlich  muslimischen Norden und einen christlichen Süden, ein Gleichgewicht, das in den letzten Monaten von mehreren Zwischenfällen erschüttert wurde. Yerimas Ehe trägt zu der Spaltung bei, er rechtfertigt seine Haltung mit dem Islam: “Ich kümmere mich nicht um das Alter, weil ich gegen keine Regel des Islam verstoßen habe“, sagte er der BBC – eine provokante Aussage bei der eh schon angespannten Atmosphäre in Nigeria.

Adeola spricht für viele Blogger, wenn sie fordert, Religion nicht in ein Thema hereinzuziehen, bei dem es vor allem um Kinderrechte geht.

Wir sollten uns nicht hinter Religion oder Kultur verstecken um Kindern ein normales Leben vor zu enthalten.

Auch Akin schreibt Religion lenke vom eigentlichen Thema ab:

Soll der Islam dafür hinhalten weil ein Mann seiner Lust auf junges Fleisch nachgehen will[?]

Yerimas Handeln wirkt, wenn auch ungewollt, als Aktivismus für seine ganz eigene Interpretation des Islams. Viele nigerianische Politiker wollen dem Spalt zwischen Norden und Süden nicht entgegenwirken, obwohl die Spannungen zunehmen. Ayogu Eze, Sprecher des Senats nannte die Yerima Affaire, die von vielen als Ausrutscher gesehen wurde, eine private Angelegenheit. Aber die Öffentlichkeit sah das anders und so brachte die Ehe eine Diskussion über die Einführung der Scharia im Norden, ob Yerima das nun gewollt hatte oder nicht.

Funke Aboyade antwortet bei This Day:

Dachten Sie etwa, Sie könnten wie in den letzten acht Jahren in Ihrem Machtbereich in Zamfara Ihre eigenwillige Sicht der Scharia Ihrem verarmten Volk, nun dem ganzen Land ungestraft aufwängen? Nun, ich habe Neuigkeiten für Sie, Senator:  Sie haben das Gesetz gebrochen, das Gesetz auf das Sie einen Eid abgelegt haben. Und Sie werden nach diesem Recht bestraft werden.

Sokari hat geschrieben:

Women Empowerment and Legal Aid [WELA] verlangt, dass die Regierung Yerima wegen Menschenhandel verfolgt und nicht wegen Zwangsehe und Vergewaltigung. Warum? Weil Yerima ein junges Mädchen nach der Scharia geheiratet hat und das Grenzalter in Nordnigeria bei 13 Jahren liegt. Dies ist in jeder Hinsicht exemplarisch. Niemand hat die Courage gegen ein Gesetz vorzugehen, religiös oder anders, das die Rechte von Kindern verletzt, auf die man sich international und in Afrika geeinigt hat.

Ein Land mit zwei großen Religionen, drei großen ethnischen Gruppen und mehr als 500 indigenen Sprachen – Nigeria ist eine interessante Fallstudie für eine multikulturelle Gesellschaft. Aber wie in anderen gemischten Gesellschaften auch ist es oft schwer, unterschiedliche Kulturen unter einem Gesetz zu vereinen. Neun der 36 nigerianischen Staaten, darunter auch Zanfara, folgen der Scharia, die die Ehe ab 13 zulässt. Aber in Abuja, wo die Hochzeit stattfand, ist die Ehe mit 13 nicht zulässig. Hinzu kommt, dass die Regierung die Child Rights Convention und andere Kinderschutzabkommen ratifiziert hat, die über dem nationalen Recht stehen müssten und das Mindestalter auf 18 setzen. In diesem Zusammenhang hat Yerima sich mit dem Islam gerechtfertigt. Er sagte der BBC:

Ich sehe Gottes Recht und das Seines Propheten über jedem anderen Recht. Ich werde kein Gesetz respektieren, dass Gottes Recht widerspricht und jedem steht es frei, mich dafür zu verurteilen.

Funke Aboyade hat eine beißende Antwort:

Wirklich? Warum sind Sie dann im Senat, Senator? Haben Sie auf die Verfassung der Bundesrepublik Nigeria geschworen oder nicht?

Sokari fasst zusammen:

Die zwei Themen sind zum einen die Kinderrechte und zum anderen die Tatsache, dass des zwei Nigerias gibt – die nördlichen Scharia-Länder und der Rest. Und Erstgenannte entfernen sich zusehend von der föderalen Struktur und entscheiden bei jedem Bundesrecht und jedem internationalen Abkommen einzeln, ob sie es befolgen oder ignorieren wollen.

Nachdem die Nachricht in der Welt war, hat der Senat eine Untersuchung begonnen. Aber Boma Tai-Osagbemi ist skeptisch:

Bei dieser “Untersuchung” wird nie etwas rauskommen … ich vermute, dieser Mann wird nicht angerührt werden!

Es wird sich zeigen, ob die Untersuchung zu einem Ergebnis kommt. Was auch immer herauskommen wird, der Fall ist eine wichtige Präzedenz, und wenn es nur ist, dass er die Debatte über den Föderalismus in Nigeria entfacht hat.

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